Bischof Fellay: Warum ich die „Correctio filialis“ unterzeichnet habe

Quelle: FSSPX Aktuell

Am 24. September wurde sie veröffentlicht und sie hat große Wellen geschlagen: Die „Zurechtweisung von Söhnen wegen Häresie“ zu dem umstrittenen apostolischen Schreiben „Amoris Laetita“ von Papst Franziskus. FSSPX.news frägt Bischof Bernard Fellay, den Generaloberen der Priesterbruderschaft, warum auch er die „Correctio filialis“ unterzeichnet hat.

 

Bischof Fellay: Diese Initiative von Theologen und Professoren, die über die irrgläubigen Auffassungen von Amoris laetitia beunruhigt waren, ist von großer Wichtigkeit. Die Lehre Christi über die Ehe darf nicht einfach unbemerkt geändert werden, unter dem Vorwand, dass die Zeiten sich ändern und dass die Pastoral sich daran anpassen müsse; auch nicht, indem man Mittel dazu gibt, die Lehre zu umgehen. Ich verstehe, dass die Autoren der „Correctio filialis“ erschüttert sind von all den Spaltungen, die durch Amoris laetitia verursacht wurden, durch die Erläuterungen des Papstes zu dem Dokument in den jüngsten Verlautbarungen, durch seine Äußerungen über die Person von Martin Luther…

In manchen Ländern akzeptieren die Bischöfe jetzt die Kommunion für geschiedene, aber zivil wieder Verheiratete, in anderen wird sie verweigert. Heißt das, die katholische Moral ist eine veränderbare Größe? Kann sie in widersprüchlicher Weise ausgelegt werden?

Seit September 2016 bitten vier Kardinäle respektvoll den Papst, „für Klarheit zu sorgen“. Dieses Jahr haben sie um eine Audienz angesucht. Die Antwort bestand in Schweigen, aber Schweigen ist eben keine Antwort. Auf eine so schwerwiegende Frage und angesichts der augenblicklichen Spaltungen ist es von dringlicher Notwendigkeit, dass der Papst sich grundsätzlich und klar äußert. In dieser trauigen Verwirrung ist es wichtig, dass die Debatte  über diese weitreichenden Fragen in den Vordergrund gerückt wird, damit die Wahrheit wiederhergestellt und der Irrtum verurteilt wird.

Darum habe ich dieser Initiative meine Unterstützung angedeihen lassen; aber es sind nicht so sehr die Namen der Unterzeichner, welche den objektiven Wert des Dokumentes ausmachen, als vielmehr die darin enthaltenen Argumente, auf die es ankommt.

FSSPX.news: Wird das die Beziehungen der Bruderschaft mit Rom in Frage stellen?

Bischof Fellay: Unser Respekt gegenüber dem Papst ist aufrichtig, und aus eben diesem Respekt für sein Amt bitten wir ihn „seine Brüder zu stärken“, indem er diese offen irrgläubigen Ansichten verurteilt, die so viele Spaltungen in der Kirche begünstigen.

Ich schätze sehr die Antwort von Ettore Gotti Tedeschi, eines Mitunterzeichners der „Correctio filialis“. Er legt mit Recht wert darauf, dass wir eben nicht Feinde des Papstes sind. Im Gegenteil, wir handeln so, weil wir die Kirche lieben. Das war die Haltung von Erzb. Lefebvre und der Priesterbruderschaft St. Pius X. seit Anfang an. In der Erklärung vom 21. November 1974 sagte unser Gründer:

„Wir hängen mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele am katholischen Rom, der Hüterin des katholischen Glaubens, und den für die Erhaltung dieses Glaubens notwendigen Traditionen, am Ewigen Rom, der Lehrerin der Weisheit und Wahrheit. Wir lehnen es dagegen ab und haben es immer abgelehnt, dem Rom der neomodernistischen und neoprotestantischen Tendenz zu folgen, die eindeutig im Zweiten Vatikanischen Konzil und nach dem Konzil in allen daraus hervorgegangenen Reformen zum Durchbruch kam.(Ganze Grundsatzerklärung von 1974 lesen) Es ist genau dieser Neomodernismus und Neoprotestantismus, den die Verfasser der „Correctio filialis“ als Ursache der Änderungen an Glaube und Moral der Ehe – hervorgebracht durch Amoris Laetitia – entlarvt haben. 

Mit jeder Faser unseres Seins sind wir Rom verbunden, der Mutter und Lehrmeisterin. Wir wären nicht mehr römisch, wenn wir ihre zweitausendjährige Lehre zurückweisen würden. Im Gegenteil. Dann würden auch wir zu Handlangern der Zerstörung, mit einer Situationsmoral, die sich in gefährlicher Weise auf eine aufgeweichte Theologie stützt.

FSSPX.news: Was erhoffen Sie sich von dieser Correctio filialis?

Bischof Fellay: Man muss hoffen, dass sie dazu beiträgt, dass die Kleriker und Gläubigen sich der Größe der Schwierigkeiten, in welchen die Kirche sich befindet, bewusst werden. So wie es ja Papst Benedikt XVI. zugegeben hat, als er sagte: „Das Schiff Petri ist von jeder Seite leck.“ Das war kein poetisches Bild, das ist eine tragische Realität. Im jetzigen Kampf muss man vor allem den Glauben und die Moral verteidigen.

Man kann nur hoffen, dass unter denen, welche die Sorge für das Heil der Seelen besitzen, noch andere Unterstützer sich finden. Die Unterzeichner der „Correctio filialis“ haben durch die Aufdeckung dieser objektiv irrgläubigen Ansichten nichts anderes getan, als offen auszusprechen, was viele an der Basis schon wussten. Ist es nicht Zeit für diese Hirten, jetzt laut und offen einzustimmen? Aber auch hier ist es weniger die Zahl der Unterzeichner, als der objektive Wert der Argumente, der zählt. Die von Christus geoffenbarte Wahrheit ist nicht abwägbar, sie ist vor allem unveränderlich.

Man muss Gott anflehen, dass der Stellvertreter Christi in einer so wichtigen Sache wieder für volle Klarheit sorgt: Man kann nicht das Gesetz der Ehe veränderten, ohne große Meinungsverschiedenheiten hervorzurufen.Wenn nichts geschieht, dann läuft die Spaltung, die sich in der Kirche abzeichnet Gefahr, irreparabel zu werden. Darum beten wir, dass die Worte unseres Herrn an Petrus auch für Papst Franziskus wirklich wahr werden und Anwendnung finden: „Und Du, wenn du Dich bekehrt hast: Stärke deine Brüder“. (Lk 22,32)

 

 

[1] Ettore Gotti Tedeschi, Ökonom und Präsident des Institutes für die Werke des Glaubens von 2009 bis 2012, hat am 24. Sept. auf einer spanischen Internetseite ein Interview gegeben, auf welches der Vatikanist Marco Tosatti in seinem Blog Bezug nimmt. (Anm. d. Red.)