Franziskus oder Paulus – Wer ist „Infiltrator“ der Kirche?

Quelle: FSSPX Aktuell

Während der Karwoche wurde ein Dokumentarfilm mit dem Titel „Amén, Francisco risponde“ [Amen: Ein Gespräch mit dem Papst] gezeigt. Das in dem Film gezeigte Gespräch des Papstes mit zehn sorgfältig ausgewählten Jugendlichen erweckte allerdings den Eindruck, dass Franziskus außer Amen nicht viel einfiel. 

Der Film wurde im Juni 2022 gedreht und für die Plattform Disney+ von dem spanischen Journalisten Jordi Évole, der sich als „El Follonero“ [der Verrückte (sic!)] vorstellt, produziert. Laut einer Meldung der Agence France-Presse (AFP) vom 5. April 2023, die von der französischsprachigen libanesischen Zeitung L'Orient-Le Jour aufgegriffen wurde, spricht die Kleidung der Jugendlichen eine deutlich „progressive“ Sprache: Dekolletés, Shorts, Tätowierungen, Piercings, verkehrt herum aufgesetzte Mützen und bunte Haare. 

Das fast eineinhalbstündige Gespräch mit Franziskus, das am Karmittwoch ausgestrahlt wurde, zeigt einen 80-jährigen Papst, der von jungen Menschen zwischen 20 und 25 Jahren in die Enge getrieben wird: Katholiken, Atheisten, eine Muslima... Dabei wird der Pontifex nicht mit Samthandschuhen angefasst, er wird teils einfach geduzt und die Haltung der katholischen Kirche häufig drastisch kritisiert. 

Von Feminismus über Migration bis hin zu psychischer Gesundheit und LGBT+ - Rechten wird ein breites Spektrum an gesellschaftlichen, oftmals schwierigen Themen ohne jegliche Zurückhaltung angesprochen. „Was halten Sie von Kirchenmitgliedern oder Priestern, die Hass fördern und die Bibel benutzen, um Hassreden zu unterstützen?“, fragt Celia, die sich selbst als „nicht-binär“ bezeichnet, also als Person, die sich weder als Mann noch als Frau fühlt. 

„Diese Leute sind Infiltratoren, die die Kirche für ihre persönlichen Leidenschaften, für ihre persönliche Enge ausnutzen“, antwortet der Papst, der seine übliche offene Haltung gegenüber sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität beibehält. „Jeder Mensch ist ein Kind Gottes. Die Kirche kann niemandem die Tür verschließen“, betonte er. 

So gut es geht, versucht er auch, die Haltung der Kirche zu Abtreibung oder der Nichtzulassung von Frauen zum Priesteramt zu erklären, ohne seine Zuhörer jedoch überzeugen zu können. 

Für Ana Sanchez de la Nieta auf Aceprensa vom 5. April „hört der Papst diesen jungen Menschen sehr viel zu, und anstatt auf ihre Zweifel einzugehen, die schnell und aggressiv aufeinander folgen, betont er die Idee des Willkommens: Jeder hat seinen Platz in der Kirche und im Herzen Jesu Christi.“  

Irgendwann wird Franziskus ein grünes Kopftuch überreicht. Die spanische Journalistin erklärt, dass es sich dabei um ein „besonders provokantes Symbol für die Verteidigung [...] der Abtreibung als menschliches und universelles Recht“ handelt. Und jeder, der die Zeitungen liest, wisse das, genauso wie der Papst, der Argentinier ist und die sehr harte Debatte über Abtreibung in seinem Land kenne. 

De la Nieta: „Diejenige, die ihm das grüne Tuch überreicht, ist ein weinendes Mädchen, das in ihrer Gemeinde Katechismusunterricht gibt und gesehen hat, wie die Priester Frauen, die abtreiben, ablehnen, beleidigen und misshandeln [...], und der Papst nimmt das Tuch, in einer Geste, die für die Befürworter der Abtreibung Gold wert ist und ein schwerer Schlag für diejenigen, die nach anderen Lösungen als der Abtreibung suchen.  

Es stimmt, dass der Papst unmittelbar danach sagt, dass es eine Sache ist, zu empfangen und eine andere, zu rechtfertigen, aber im Fernsehen ist ein Bild mehr wert als eine Enzyklika.“  

Auf der Website Alfa y Omega vom 5. April gab der Journalist, der das Interview führte, einige vertrauliche Informationen über die Reaktion von Franziskus nach der Sichtung des Films preis: „Als der Papst die Dokumentation zu Ende gesehen hatte, winkte er mir zu, als wolle er seinen Hut abnehmen. Er sagte, dass dies die Art und Weise sei, wie die Kirche mit ihren Gläubigen kommunizieren sollte, egal ob sie sich innerhalb oder außerhalb der Kirche befinden. Für ihn ist dies ein weiterer pastoraler Akt, aber mit globaler Reichweite.“ 

Und er erläuterte einen ziemlich aufschlussreichen Punkt: „Wir hatten nichts vereinbart und Franziskus hat uns keine Bedingungen gestellt. Ich war aufgrund der Beziehung, die wir hatten, und des Vertrauens, das er uns entgegengebracht hatte, bereit, etwas raus zu schneiden, wenn er uns darum gebeten hätte. Es mag für einen Journalisten nicht gut klingen, so etwas zu sagen, aber ich dachte daran, etwas zu ändern, wenn er uns darum bittet. 

Natürlich ist es nichts Großes, aber es gibt Momente, in denen er sich unwohl zu fühlen scheint. Er hat uns nicht gesagt, dass wir einen bestimmten Blick oder eine bestimmte Geste streichen sollen. Er hat nichts verlangt. Das ist in der heutigen Kommunikationswelt beispiellos.“ 

Der argentinische Blog The Wanderer vom 12. April, aus der Feder eines gewissen Ludovicus, kritisiert die Teilnahme von Franziskus an diesem gefilmten Interview scharf: „Papst Bergoglio ist alt. Was kein Verdienst sein sollte, nimmt hier die Züge eines erbärmlichen Komplexes an, wenn er selbst sagt, dass er altmodisch und anachronistisch ist, dass er kein Handy hat, dass er nicht weiß, was Tinder ist, dass es seine Sekretärinnen sind, die seinen Twitter-Account verwalten. 

Während er verzweifelt versucht, gut dazustehen, indem er sagt, dass Tinder für ihn normal ist, und so tut, als würde er mit jungen Leuten sprechen, während er ihre Kultur ignoriert und sorgfältig jedes kategorische moralische Urteil über die Absurditäten, die sie beschreiben und denen sie applaudieren, vermeidet.“ 

Für Ludovicus handelt es sich um den Komplex des alten Mannes, der versucht, die jungen Leute zu verführen, indem er ihnen schmeichelt: „Es ist das Syndrom des coolen alten Mannes, das heißt des alternden Progressiven, der verzweifelt nach einer wertvollen Währung sucht, die ihm leider schneller entgleitet als das Leben. 

Er versucht, die Jugend durch Schmeichelei und Demagogie zu verführen, indem er sich als „fortschrittlich“, permissiv und der heutigen Zeit angepasst darstellt – die wiederum nicht seine eigene ist. Das ist die übliche Art und Weise, wie mittelmäßige Politiker und sophistische Meister seit Platon, die nach der durch Permissivität erkauften Aufmerksamkeit gieren, ihre Karriere krönen. In der Regel geht das nicht gut aus.“ The Wanderer fügt hinzu: „Es bleibt ein Gefühl der Leere und des Unbehagens. Während seiner fast eineinhalbstündigen Rede hat der Vikar Christi kaum den Namen Christi erwähnt. Tatsächlich sprach er überhaupt nicht über Ihn. Er begab sich in eine Form von billiger Apologetik [...]. 

Das Christentum wurde auf die Bedeutungslosigkeit reduziert und durch eine vage Bruderschaft moderner Monster voller unversöhnlicher Widersprüche ersetzt, die durch Schweigen oder Verwirrung in ihren Lastern und Gewohnheiten bestätigt wurden. Die Kirche wäre universell, weil sie jeden einschließt, die Guten, die Bösen, die Atheisten, die Transsexuellen, die Gender Fluids [fließende Geschlechtsidentitäten], die Muslime, die Atheisten und so weiter.“ 

Auf der Website des Vatikanisten Marco Tosatti, Stilum Curiæ vom 12. April, ist eine Analyse von José Arturo Quarracino, einem Landsmann des Papstes, zu lesen, in der er auf dessen Antwort an die „nicht-binäre“ Celia eingeht, die die Hassreden gegen Homosexuelle beklagte, die von denjenigen stammen, die sich auf das Evangelium berufen, um sagen zu können: „Nicht ich bin es, der euch ausschließt, sondern die Bibel sagt das.“ Darauf antwortet Franziskus wie eingangs erwähnt und ergänzt: „Im Grunde haben all diese Menschen ein inneres Drama, ein Drama von sehr großer innerer Inkohärenz, sie leben, um andere zu verurteilen, weil sie nicht um Vergebung für ihre eigenen Fehler bitten können. Im Allgemeinen ist derjenige, der verurteilt, inkohärent, er hat ein inneres Problem, also befreit er sich, indem er andere verurteilt, obwohl er den Kopf senken und auf seine eigenen Fehler schauen sollte.“ 

Paulus zitierend, fragt sich José Arturo Quarracino, ob der Völkerapostel in den Augen von Franziskus ein „Infiltrator“ ist. Er sagt nämlich, dass „weder Unzüchtige noch Götzendiener, noch Ehebrecher, noch Entweihte, noch Schändliche, noch Diebe, noch Geizige, noch Trunkenbolde, noch Verleumder, noch Räuber das Reich Gottes besitzen werden“ [1 Kor 6,9-10]. 

Scheinbar verwirrt fragt José Arturo Quarracino und möchte, dass sich Franziskus dazu schriftlich erklärt, „was das innere Drama war, das den heiligen Paulus bedrückte, was dieses Drama großer innerer Inkohärenz war, das ihn dazu brachte, andere zu verurteilen, weil er nicht um Vergebung für seine eigenen Fehler bitten konnte.“ Und er schließt mit einer schönen Suggestivfrage: „Wer hat letztendlich Recht: Paulus oder Papst Bergoglio?“