Immer weniger papstfähige Kardinäle?

Quelle: FSSPX Aktuell

Die Kardinäle Matteo Zuppi, Péter Erdő und Luis Antonio Tagle

„Wer als Papst in das Konklave eintritt, verlässt es als Kardinal“, so lautet ein beliebtes Sprichwort der Römer, man darf sich also nie zu sicher sein. Die Frage während dieses Pontifikats ist, ob es im Kardinalskollegium noch echte Papabili gibt. Denn es scheint alles getan zu werden, um alle Persönlichkeiten, die Papst Franziskus nachfolgen könnten, zu diskreditieren.

Viele Vatikanisten sagen, dass der Vatikan momentan in die Zeit der Abrechnung eingetreten ist. Diese findet umso schneller statt, je älter der argentinische Pontifex wird und je öfter er im Krankenhaus liegt. Mutmaßlich kann sich Franziskus vorstellen, dass kein Tag vergeht, an dem hohe Prälaten nicht ihre Chancenberechnungen für ein bevorstehendes Konklave anstellen. 

Ein Kommentator, der die Stimmung im Heiligen Kollegium zusammenfasst, erklärt in Anspielung auf die letzten Tage des französischen Algeriens: „Ein Regimewechsel steht bevor, und egal, welcher Kurs, ob konservativ oder progressiv, eingeschlagen wird, eines ist sicher: Die ‚Maschinerie‘ des Pontifikats von Franziskus wird demontiert werden. Bis dahin sitzen wir, wie die Schwarzfüße [Pied-noir, die sogenannten Algerienfranzosen] in Algier, auf den Terrassen der Restaurants und warten auf den Knall der nächsten Explosion.“ 

Ed Condon, Chefredakteur der religiösen Nachrichtenseite The Pillar, erklärte im Mai 2023, dass Angriffe auf hochrangige Prälaten der Kurie so üblich geworden seien, dass ein brasilianischer Erzbischof, Ilson de Jesus Montanari, die Ernennung zum Präfekten des Dikasteriums für die Bischöfe mit der Begründung abgelehnt habe, dass er befürchte, ein „Kaninchen in der Mitte eines Schießstandes“ zu werden. 

Begründete Ängste, wenn man das Schicksal von Kardinal Luis Antonio Tagle betrachtet. Der hohe philippinische Prälat, der als „Mitte-Links“ eingestuft wird, wurde 2019 zum Chef der renommierten Propaganda Fide – des heutigen Dikasteriums für die Evangelisierung der Völker – befördert und als einer der vielversprechendsten Papabili benannt. Nachdem er jedoch gezwungen war, den Vorsitz der Caritas abzugeben, sank sein guter bis dahin heller Stern in den Medien. Diese stellten unter anderem seine Managementfähigkeiten und Entscheidungsfindung in Frage. 

Ein ähnliches Schicksal ereilte den konservativen Kardinal Péter Erdő. Der Primas von Ungarn wurde dank des Erfolgs der apostolischen Reise des Papstes in sein Land zu einer führenden Persönlichkeit im Vatikanumfeld. Es war eine Papstreise ohne Fehltritte und Probleme, an der Kardinal Erdő maßgeblich beteiligt war. Doch es gab auch kritische Stimmen, die Erdős Nähe zum verstorbenen Kardinal George Pell – einem erklärten Feind von Franziskus – hervorhoben. 

Selbst Kardinal Matteo Zuppi scheint unter der schlechten Atmosphäre zu leiden. Kaum ist der Erzbischof von Bologna, Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz (CEI) und Mitglied der Gemeinschaft Sant'Egidio von einer Friedensvermittlung in Kiew und Moskau zurückgekehrt, werden Stimmen laut, die meinen: „Die Kleider, die er trägt, sind zu groß für ihn geschneidert.“ 

Um den „Heckenschützen“ der öffentlichen Meinung zu entgehen, die oft von den apostolischen Palästen aus auf die Jagd gehen, haben die potenziellen Papabili taktisch verstanden, dass sie sich für eine Form der „relativen Unsichtbarkeit“ entscheiden müssen. 

Aufgrund dessen, so Ed Condon, könnten die Wähler beim nächsten Konklave den Eindruck gewinnen – und vielleicht ist genau das beabsichtigt –, dass kein vermeintlich potentieller Kandidat in der Lage ist, die Nachfolge von Papst Franziskus anzutreten.  

Der Schuss könnte allerdings auch nach hinten los gehen, wenn eine der „peripheren“ oder weniger bekannten Figuren des Heiligen Kollegiums gewählt wird und so der Aufstieg eines wirklich unerwarteten Papstes ermöglicht wird. Der Heilige Geist wird in den kommenden Jahren mit Sicherheit für viele Überraschungen sorgen.