Pakistans Oberster Gerichtshof fällt eine historische Entscheidung über Christen

Quelle: FSSPX Aktuell

Oberster Gerichtshof von Pakistan

Der Oberste Gerichtshof verpflichtet die Regierung und alle öffentlichen Einrichtungen in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa (KP), den Begriff „Esai“ oder „Isai“ durch „Masihi“ zu ersetzen, wenn sie sich amtssprachlich auf Bürger christlichen Glaubens beziehen. Die Maßnahme stellt eine bedeutende Veränderung bei der Anerkennung und Achtung der kulturellen und religiösen Identität christlicher Gemeinschaften dar.

Das Urteil war längst überfällig, denn die christliche Gemeinschaft Pakistans hat sich aktiv für die Verwendung des Begriffs „Masihi“ als respektvoller in offiziellen Dokumenten und Mitteilungen der Regierung eingesetzt. Der Begriff „Esai“, der historisch zur Identifizierung von Christen verwendet wurde, enthält eine abwertende Konnotation, die auf eine alte Kastendiskriminierung verweist.  

So werden Christen in Pakistan häufig mit dem Urdu-Wort „Esai“ bezeichnet, das von „Isa“ abgeleitet ist, dem arabischen Wort, das im Koran für Jesus verwendet wird. Der Begriff „Masihi“, der „Volk des Messias“ bedeutet, enthält dagegen kein negatives Urteil. Der Begriff „Esai“ bezieht sich hauptsächlich auf Menschen, die in der Straßenreinigung und anderen Tätigkeiten arbeiten, die von den unteren Kasten ausgeübt werden. 

Der Begriff „Churha“ (Straßenkehrer), hat die gleiche Konnotation, drückt Feindseligkeit und Abscheu aus. Mit ihm wird eine Kaste von „Dalits“, den „Unberührbaren“ bezeichnet. Im Laufe der Jahre hat der Begriff eine stark abwertende Bedeutung beibehalten und verstärkt und wird als Beleidigung gegenüber Christen verwendet. Der Begriff reflektiert allerdings auch die soziale Praxis. 

Diese Zustände haben ihre Wurzeln im Kastensystem des indischen Subkontinents. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts konvertierten nämlich viele der niedrigsten Kasten oder Ausgestoßenen zum Christentum. Ab 1870 konvertierten im Punjab viele „Chuhras“. Die „Chuhras“ bildeten die größte untere Kaste im Punjab und übten die erwähnten niederen Berufe aus. Nach der Teilung Indiens und Pakistans im Jahr 1947 wurde den „Chuhras“ im Punjab, die fast alle Christen waren, keine Bildung mehr gewährt. Dieses soziale Stigma ist über die Jahrzehnte hinweg intakt geblieben.  So sind in Pakistan schätzungsweise 80 Prozent des Reinigungspersonals für die Straßen und die Kanalisation – ungebildet und am unteren Ende der sozialen Leiter – Christen, die immer noch als Ausgestoßene oder „Unberührbare“ behandelt werden. Angehörige anderer Kasten vermeiden es in der Regel, ihnen die Hand zu geben, mit ihnen Freundschaft zu schließen und sogar mit ihnen zu essen oder zu trinken. 

Das Urteil des Obersten Gerichtshofs, dem der Rat für Islamische Ideologie – ein nicht unerheblicher Aspekt – zugestimmt hat, eröffnet einen Weg, diese diskriminierenden Zustände zu beenden. Die pakistanische Wahlkommission hat bereits das Wort „Esai“ aus den Registrierungsformularen der Wähler gestrichen und durch „Masihi“ ersetzt und damit einen Präzedenzfall für andere Regierungsabteilungen geschaffen. 

In Pakistan, wo mehr als 90 Prozent der Bevölkerung praktizierende Muslime sind, wurde die Zahl der Christen bei der Volkszählung 2017 auf 2,6 Millionen geschätzt, was etwa 1,27 Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht. Obwohl Pakistan als tolerantes und gleichberechtigtes Land gegründet wurde, haben die pakistanischen Christen von Anfang an unter entwürdigenden Lebensbedingungen und grassierender religiöser Diskriminierung gelitten. 

Die NGO „Center for Social Justice“ berichtet, dass die öffentlichen Verwaltungen diskriminierende Praktiken anwenden, indem sie beispielsweise nur die untersten Stellen in der Reinigungsbranche für Bürger christlichen Glaubens reservieren. Zwischen 2010 und 2021 wurden in fast 300 Stellenausschreibungen nur „Nicht-Muslime“ aufgefordert, sich als Reinigungskräfte in öffentlichen Einrichtungen zu bewerben. Im Januar 2022 forderte das Hohe Gericht in Islamabad deswegen verschiedene Behörden auf, keine Stellenangebote für Straßenkehrer mehr zu veröffentlichen, die „Nicht-Muslimen“ vorbehalten sind.  

Eine weitere Möglichkeit, um diesen Kreislauf zu durchbrechen, ist Bildung, die junge Christen in andere, qualifiziertere Berufe befördern kann. Die Alphabetisierungsrate von Christen in Pakistan spiegelt die Auswirkungen dieser strukturellen Diskriminierung wider. Ein Bericht der Kommission für Gerechtigkeit und Frieden der katholischen Bischöfe Pakistans aus dem Jahr 2001 ergab, dass die durchschnittliche Alphabetisierungsrate der Christen vor 20 Jahren bei 34 Prozent lag, während der damalige Landesdurchschnitt 47 Prozent betrug.