
Erst im Februar dieses Jahres legalisierte das kolumbianische Verfassungsgericht Abtreibungen bis zur 24. Schwangerschaftswoche, nun folgte der nächste Schritt hin zu einer Kultur des Todes.
Am 11. Mai 2022 entschied der kolumbianische High Court mit sechs Ja- und drei Nein-Stimmen, den „ärztlich assistierten Suizid“ zu entkriminalisieren. Bei diesem unmoralischen Verfahren, das gegen den hippokratischen Eid verstößt, obliegt es dem Patienten, die lebensbeendende Handlung auszuführen.
Die Entscheidung folgte auf eine Klage des Laboratorio de Derechos Económicos, Sociales y Culturales (DescLAB). Dieser griff die „Vollstreckbarkeit“ des zweiten Absatzes von Artikel 107 des Strafgesetzbuches an, der Haftstrafen von 32 bis 108 Monaten für jeden festlegt, der „eine andere Person tatsächlich zum Selbstmord anstiftet oder bei der Durchführung tatsächlich Hilfe leistet“. Darüber hinaus „wird, wenn die Anstiftung oder Hilfeleistung darauf abzielt, intensives Leiden infolge einer Körperverletzung oder einer schweren, unheilbaren Krankheit zu beenden, eine Freiheitsstrafe von 16 bis 36 Monaten verhängt“, heißt es in diesem Artikel.
Das Gericht entschied, den assistierten Suizid unter der Voraussetzung straffrei zu stellen, dass der Patient „eine freie, informierte und unmissverständliche Zustimmung zu diesem Zweck gegeben hat“, „an einer Körperverletzung oder einer schweren und unheilbaren Krankheit leidet“ und „physischen oder psychischen Schmerzen ausgesetzt ist, die mit seinem Gefühl der Würde unvereinbar sind“. Schließlich wird festgelegt, dass die „Hilfe beim Sterben“ von einem „Angehörigen eines Gesundheitsberufs“ geleistet werden muss.
Im Juli 2021 hatte das Verfassungsgericht die Sterbehilfe für den 60-jährigen Victor Escobar genehmigt. Es handelte sich um den ersten kolumbianischen Patienten, dem Sterbehilfe gewährt wurde, ohne dass er sich im Endstadium befand. Die Euthanasie von Patienten im Endstadium ist in dem Land seit 1997 erlaubt. 2014 hatte das Gericht dann den Kongress aufgefordert, das Thema gesetzlich zu regeln. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden zwischen April 2015 und dem 15. Oktober 2021 178 Kolumbianer euthanasiert.
An der aktuellen Entscheidung sind zwei Punkte bemerkenswert: Erstens die Macht, die sich das Verfassungsgericht anmaßt, indem es über eine Beschwerde entscheidet und eine Regel aufstellt, ohne dass diese zuvor Gegenstand einer kontradiktorischen Debatte war – selbst wenn diese vielleicht nichts geändert hätte.
Und vor allem wird dem Arzt, wie im Fall der Abtreibung so auch bei der Sterbehilfe, der Auftrag erteilt, den Tod herbeizuführen. Das widerspricht seiner Natur sowie dem hippokratischen Eid grundlegend.