
Die katholische Kirche in Nicaragua wird immer stärker unter Druck gesetzt. Nun hat der Staatschef einen Gesetzentwurf vorgelegt, der jede kritische Haltung gegenüber dem Regime unter Strafe stellt und insbesondere auf Geistliche abzielt.
Der politische Prozess ähnelt verblüffend dem, der in Hongkong stattfindet. Es begann im Oktober 2020 mit der Verabschiedung von zwei Gesetzen: dem Gesetz zur Regulierung ausländischer Agenten und dem Sondergesetz zu Online-Delikten, die die Vereinigungs- und Meinungsfreiheit stark einschränkten. Beide Gesetze führten seit ihrer Verkündung zur Schließung von über 125 Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und oppositionellen Zeitungen.
Im Dezember 2020 verabschiedete die Nationalversammlung das Gesetz zur Verteidigung der Rechte des Volkes auf Unabhängigkeit, Souveränität und Selbstbestimmung in einer friedensorientierten Perspektive. Es ermöglichte die gezielte Ansprache von Regimegegnern. So wurden fünf erklärte oder mögliche Kandidaten vor den Präsidentschaftswahlen 2021 inhaftiert oder zu Hause festgehalten.
Daniel Ortega, der amtierende Präsident Nicaraguas, will nun die Kirche zur Rechenschaft ziehen. Sie wird beschuldigt, die Proteste von 2018 unterstützt zu haben. Damals geriet die Macht des ehemaligen sandinistischen Revolutionärs ins Wanken, die er – zusammen mit seiner Frau – 2016 nach einer mutmaßlich gefälschten Wahl an sich gerissen hatte.
Das Präsidentenpaar, das von seinen Gegnern als „Ceausescu Lateinamerikas“ bezeichnet wird, hat nun vorgeschlagen, die Strafen für Personen zu verschärfen, die „der Verletzung der nationalen Integrität und des Vaterlandsverrats“ für schuldig befunden werden. Das heißt: für Personen, die dem Regime offen widersprechen.
„Verschwörung zur Verletzung der nationalen Integrität zum Nachteil der nicaraguanischen Gesellschaft und des Staates Nicaragua“ ist ein Verbrechen, das bereits in den Artikeln 410 und 412 des Strafgesetzbuches festgelegt ist. Die vorgesehenen Strafen würden also verschärft und weitere hinzugefügt werden. So könnte dem Klerus das Eigentum entzogen werden, indem ein neues Rechtskonzept, das „Erlöschen des Eigentumsrechts“, für den im Rahmen des Gesetzes verurteilten Geistlichen eingeführt wird.
Die sandinistische Abgeordnete Maria Auxiliadora Martinez rechtfertigte als Vorsitzende des Justizausschusses im Parlament die Änderung des Gesetzbuches, da ihrer Meinung nach „die Kirchenmänner, gegen die sich das Gesetz richtet, nicht als Vertreter Christi gehandelt haben, sondern aus Hass auf den Sandinismus und alle Personen, die mit der Regierung der Einheit und nationalen Versöhnung in Verbindung stehen“. Für das Präsidentenpaar sind die Gegner des Regimes, die als „Pharisäer“ oder, wenn es sich um Priester handelt, als „Dämonen in Kutte“ bezeichnet werden, die Agenten einer Destabilisierung, die mit der Komplizenschaft der katholischen Kirche und Washingtons ausgeheckt wurde: Eine Verkürzung, die sich aus der Haltung einiger Mitglieder des Klerus speist, die manchmal eher einer politischen Opposition als einem kirchlichen Amt ähnelt.
Kardinal Leopoldo Brenes, Erzbischof von Managua und Symbolfigur des nicaraguanischen Katholizismus, zögerte in seiner Predigt am 23. April 2022 nicht, die Verfolgung der Christen und die zahlreichen Zerstörungen von Kirchen im Land anzuprangern.
Am 8. Mai verwies der hohe Prälat auf die neue Bestimmung, die Geistliche ins Visier der Justiz rückt: "Einige greifen mit ihren grotesken Worten diejenigen an, die die Paulus und Barnabas von gestern sind, und vergessen dabei, dass die Kirche nicht von Menschen, sondern vom Heiligen Geist geleitet wird, und dass sie trotz der Verleumdung und Verfolgung, der sie ausgesetzt ist, weiter voranschreitet.“
Hintergrundinfo: Die Nationalversammlung Nicaraguas wird von der Regierungspartei Sandinistische Nationale Befreiungsfront (FSLN) unter der Führung von Daniel Ortega kontrolliert, die über eine Mehrheit von 75 Abgeordneten unter 91 Parlamentariern verfügt. Die jüngste Reform des Strafgesetzbuches wurde im Januar 2021 verabschiedet und beinhaltete nach einer Verfassungsreform lebenslange Freiheitsstrafen.