
Am 5. Januar 2023 fand auf dem Petersplatz in Rom bei dichtem Nebel die Beerdigung von Benedikt XVI. statt. Sie wurde von seinem Nachfolger geleitet.
Am Abend der Zeremonie stellte Jean-Marie Guénois in Le Figaro fest, „einige Beobachter prophezeien ‚Zonen der Turbulenzen‘“ und fragte sich: „Verändert der Tod des emeritierten Papstes die Lage? Wird sich Franziskus freier fühlen, um zu handeln? Wird sein Pontifikat eine neue Dimension erreichen?“
Auf den ersten Blick wird sich nichts ändern, da Franziskus seit dem Amtsverzicht von Benedikt XVI. Papst ist und ohne Rücksicht darauf regiert, ob seine Entscheidungen die Handlungen seines Vorgängers desavouieren oder nicht.
Dennoch konnte ein Bild nicht ausbleiben, dass alle, die an der Beerdigungszeremonie teilnahmen, beeindruckte. Franziskus kam in einem Rollstuhl, den er aufgrund seiner großen Gehbehinderung benötigte. Und dieser Rollstuhl hatte gegenüber dem Sarg symbolischen Charakter.
Die Beerdigung von Benedikt XVI. zeigte, dass die fragile „Hermeneutik der Reform in der Kontinuität“, die er während seines achtjährigen Pontifikats zu fördern versucht hatte, offensichtlich mit ihm zu Grabe getragen wurde.
Der Papst von Summorum pontificum (2007), der anerkannt hatte, dass die tridentinische Messe nie abgeschafft worden war, wurde demonstrativ von dem Papst von Traditionis custodes (2021) verdrängt, der die Bestimmungen zugunsten der traditionellen Zelebration aufhob.
Doch diese „Hermeneutik der Diskontinuität und des Bruchs“ kommt nun vor aller Augen ausgerechnet im Rollstuhl daher. Es ist, als müsse man sie schieben, damit sie vorwärts kommt, man muss sie ziehen, damit sie nicht stehen bleibt. Und trotz aller Bemühungen muss hilflos mit angesehen werden, wie die Zahl der Berufungen in schwindelerregende Höhen sinkt, und man muss genauso hilflos einen dramatischen Rückgang religiöser Praxis feststellen.
Es war wie ein Sinnbild: Hinter dem Nebel, der bei der Beerdigung über dem Petersdom in Rom lag, verbarg sich die Sonne der zweitausendjährigen Lehre.
Die Päpste von Libertas præstantissimum gegen den Liberalismus, von Quas primas über Christus den König, von Mystici corporis über die Kirche waren anwesend. Im Grunde genommen lebendige Vorwürfe gegen Dignitatis humanæ über die Religionsfreiheit, Unitatis redintegratio über die Ökumene, Nostra Ætate über den interreligiösen Dialog.
Post nubila Phœbus, nach den Wolken kommt die Sonne. Eines Tages wird sich der Nebel lichten, und die Sonne der Lehre wird wieder auf die Kirche scheinen.
Eine Lehre weder mit eingeschränkten Spielräumen noch mit variablen Grundmauern, sondern eine Lehre, die voranschreitet, die die geoffenbarte Wahrheit bekräftigt und Irrtümer verurteilt. Eine Lehre, die die Seelen entflammt, den Verstand begeistert und die Herzen in Brand setzt, weil sie „das Licht der Welt“ und „das Salz der Erde“ ist.
Abbé Alain Lorans