
Hat der von Papst Franziskus geliebte „Gott der Überraschungen“ wieder einmal eingegriffen? Am 13. Mai 2023, an dem Tag, an dem er das ukrainische Staatsoberhaupt in Audienz empfing, verkündete der Pontifex ein neues “Grundgesetz für den Staat der Vatikanstadt”.
Die neue Verfassung ist das dritte Grundgesetz seit dem Lateranvertrag, der die „römische Frage“ beendete. Nach der Annexion des Kirchenstaates durch Italien im Jahr 1871 stellte sich das Problem, die Unabhängigkeit des Heiligen Stuhls zu gewährleisten, die für seine Integrität und sein Handeln notwendig ist.
Die Lösung bestand in der Schaffung eines Territoriums, das so klein ist, dass es fast schon symbolisch wirkt, das aber mit allen konstituierenden Elementen eines Staates ausgestattet ist: Territorium, Bevölkerung, Souveränität, Rechtssystem. Seitdem regiert der Papst den Staat der Vatikanstadt durch einen Gouverneur und eine Kommission, die aus fünf bis sieben Kardinälen besteht, die ihre Aufgaben durch Delegation wahrnehmen.
Heute sorgt die Regierung dieses Staates für die Sicherheit, die öffentliche Ordnung, den Zivilschutz, den Gesundheitsschutz und die Gesundheitsfürsorge, die allgemeine Hygiene, die Umwelt, die wirtschaftlichen Aktivitäten, die Post-, Philatelie- und Zolldienste, die Verbindungs- und Netzwerkinfrastruktur, die Bautätigkeiten, die technischen Systeme und die Elektrizität.
Außerdem ist er für die Erhaltung, Erschließung und Nutzung der Vatikanischen Museen sowie für die „Aufsicht über die Güter des gesamten künstlerischen, historischen, archäologischen und ethnografischen Erbes“ zuständig.
Das Gesetz von 1929 sah vor, dass die gesetzgebende Gewalt direkt vom Papst ausgeübt wird, mit der Möglichkeit, „die gesetzgebende Gewalt für bestimmte Angelegenheiten oder einzelne Objekte an den Statthalter zu delegieren.“ Das zweite Grundgesetz aus dem Jahr 2000 legte fest, dass die päpstliche Kommission die gesetzgebende Gewalt direkt ausübt, außer in Fällen, in denen sich der Pontifex diese vorbehält.
Der Staat blieb eine absolute Monarchie, aber Johannes Paul II. gab die Leitung der Macht und der Verwaltung weiter und konkretisierte damit die Tatsache, dass der Papst, obwohl er Monarch ist, nicht wie ein Monarch handelt. Grundsätzlich konzentriert der römische Pontifex nämlich die gesamte Exekutive, Legislative und Judikative in seiner Person.
Das neue Grundgesetz, das Franziskus am 13. Mai verkündete, soll „den Bedürfnissen unserer Zeit entsprechen“ und die Situationen, die sich aus den vom Apostolischen Stuhl eingegangenen internationalen Verpflichtungen ergeben, „gemäß den erneuerten Anforderungen, die dieser so spezifische Aspekt erfordert“, „operationell machen“.
Um es deutlicher auszudrücken: Die neue Verfassung des kleinsten Staates der Welt soll darauf hinwirken, die notwendigen Aktualisierungen in Bezug auf die finanzielle Transparenz vorzunehmen. Aber es sollen auch und vor allem, den Laien mehr Verantwortung übertragen werden – ganz im Sinne der Kurienreform, die der Nachfolger Petri in Praedicate Evangelium am 19. März 2022 festgeschrieben hat.
Bisher bestand die Päpstliche Kommission für die Verwaltung der Vatikanstadt aus einem Kardinalpräsidenten und anderen Porporati, doch ab dem 7. Juni, dem Tag, an dem das neue Grundgesetz in Kraft tritt, wird dies nicht mehr der Fall sein.
Neben den Kardinälen wird die Kommission auch „andere Mitglieder“ umfassen, die vom Papst für eine Amtszeit von fünf Jahren ernannt werden, das heißt auch Laien können an der Kommission teilnehmen.
Eine weitere wichtige Änderung, die den von Benedikt XVI. eingeleiteten und von seinem Nachfolger beschleunigten Wirtschafts- und Finanzreformen entspricht, betrifft die Aufstellung des Haushalts: Dieser wird nicht mehr – wie bisher – auf einfache Vorlage des Governatorats der Vatikanstadt (it.: Governatorato dello Stato della Città del Vaticano) – das ist die Staatsverwaltung der Vatikanstadt – beschlossen, sondern ist das Ergebnis einer Dreijahresplanung, die internationale Finanzkriterien berücksichtigen muss.
Die Kommission, die aus Klerikern und Laien besteht, wird über den dreijährigen Finanzplan beraten und „diese Akte direkt dem Pontifex zur Genehmigung vorlegen“. Der Haushaltsplan muss ein „Gleichgewicht“ von Einnahmen und Ausgaben gewährleisten und sich an den „Grundsätzen der Klarheit, Transparenz und Gerechtigkeit“ orientieren.
Ein letztes, nicht unwichtiges Detail: Während in der Vergangenheit das Staatssekretariat in die legislative und exekutive Tätigkeit der Vatikanstadt involviert war, insbesondere in Bezug auf die Genehmigung des Haushalts, wird sich das einflussreiche Dikasterium in Zukunft nicht mehr in die Verwaltung des Governatorats einmischen können, außer in Fällen, in denen der Kleinststaat die Rolle eines Subjekts des Völkerrechts spielt.
So verstärkt die neue Verfassung die Zentralisierung durch die Tatsache, dass die „Macht“ dem Papst vorbehalten ist, während anderen Entitäten nur „Funktionen“ zugewiesen werden. Aus diesem Grund erwähnt das neue Gesetz nicht die „Befugnisse“ des Staatssekretariats. Stattdessen haben die verschiedenen Organe legislative, exekutive und judikative Funktionen. Dies könnte im Staatssekretariat für Unmut sorgen ...