
Die spanischen Bischöfe lehnen allerdings eine Fokussierung der Untersuchungen zu Missbrauchsfällen allein auf die Kirche ab. Das gesamtgesellschaftliche Problem soll nicht nur in den Reihen der Kirche abgearbeitet werden.
Hintergrund der bischöflichen Entscheidung: Der spanische Kongress stimmte Anfang März 2022 für die Einsetzung einer Expertenkommission, die die erste nationale Untersuchung zu sexuellem Missbrauch im kirchlichen Kontext im Land durchführen soll. Damit folgte er dem Druck der Medien, insbesondere der Zeitung El País, die 2018 eine eigene Untersuchung eingeleitet hatte.
Am 29. April 2022 kündigten die spanischen Bischöfe deshalb an, dass sie sich nicht an der parlamentarischen Untersuchungskommission zu sexuellem Missbrauch in der Kirche beteiligen würden, obwohl ihre Gremien in dem vom spanischen Gesetz vorgeschriebenen Rahmen „mit den zivilen Behörden zusammenarbeiten“ würden. Das spanische Episkopat kritisierte, dass die Untersuchungen nur auf die Institution Kirche und nicht auf die gesamte Gesellschaft abzielten.
Bereits zuvor, wenige Tage vor der Abstimmung im Parlament, hatte die Bischofskonferenz angekündigt, dass sie nach dem Vorbild der Bischöfe in den USA, Irland und Frankreich eine eigene Untersuchung durchführen werde, berichtet die US-amerikanische Nachrichtenagentur Crux.
Bischof Luis Argüello, Sprecher der spanischen Bischofskonferenz, begründete die Entscheidung: „Es ist eine überraschende Entscheidung, eine Untersuchung über Missbrauch nur innerhalb der Kirche durchzuführen, obwohl klar ist, dass von den 15.000 in Spanien eröffneten Fällen nur 69 auf den kirchlichen Kontext verweisen.“ Der Erzbischof führte weiters aus, dass eine andere Untersuchung, nämlich diejenige, die von der katalanischen Regionalregierung eingeleitet wurde, „konsequenter“ sei. Die katalanische Kommission muss nämlich alle Institutionen der Region, einschließlich der Kirche, untersuchen.
Während die Anwaltskanzlei Cremades damit beauftragt wurde, sowohl die Ermittlungen der Kirche als auch die des spanischen Staates durchzuführen, rief Erzbischof Argüello die Opfer dazu auf, „alle Kanäle zu nutzen, die sie für notwendig erachten, um den Missbrauch anzuzeigen“, unabhängig davon, ob es sich dabei um die Justiz, die Medien oder die Kirche handelt.
Ein Sprecher meinte, das Wichtigste sei, dass die Gesellschaft als Ganzes diese Wahrheitsarbeit leisten müsse, ohne dass die Kirche „die Rolle des Sündenbocks übernimmt.“ Nur so könne in der Gesellschaft ein Bewusstseinswandel stattfinden und das Problem des Missbrauchs in seiner ganzen Tragweite angesprochen werden.