Unüblicher Vorgang

04. Juli 2022
Quelle: fsspx.news
Straßburger Münster, Hauptportal

Die vatikanische Botschaft in Paris teilte am 23. Juni mit, dass die Diözese Straßburg eine Apostolische Visitation zu erwarten habe. Was ist der mögliche Grund für diesen vom Papst angeordneten “Besuch”, aber auch für diese öffentliche Ankündigung, die sonst nicht zu den Usancen der Nuntiatur gehört?

Eine interessante Frage, doch weder die Nuntiatur noch die Diözese geben die Art oder den Zweck dieses Besuchs an. Sie stellen lediglich fest, dass es sich bei den vom Vatikan bestellten Visitatoren um Bischof Stanislas Lalanne von Pontoise handeln wird, der von Bischof Joël Mercier, dem emeritierten Sekretär des Dikasteriums für den Klerus, begleitet wird. 

Päpstliche Visitatoren haben weitreichende Vollmachten. Die betroffenen Bischöfe und ihre Kurien müssen mit ihnen zusammenarbeiten und ihnen uneingeschränkt Auskunft geben. Die Ergebnisse einer Visitation werden schriftlich niedergelegt und dem Heiligen Vater vorgelegt. 

Die französische Presse ist sich allerdings einig, dass es sich um ein Manöver des Straßburger Erzbischofs, Msgr. Luc Ravel, ehemaliger Bischof der Militär-Diözese, handeln könnte. Denn laut Le Figaro dürfte Franziskus nichts an der persönlichen Ausrichtung von Bischof Ravel auszusetzen haben. Ravel ist nicht traditionalistisch eingestellt und ist ein Anhänger der progressistischen Spiritualität des Jesuiten Pierre Teilhard de Chardin (1811 – 1955). Außerdem war er der einzige französische Bischof, der öffentlich zur Wiederwahl von Präsident Emmanuel Macron aufgerufen hatte.  

Der Erzbischof gehört zur Ordensgemeinschaft der Augustiner-Chorherren, konkret zur 1968 wiederbelebten und immer noch sehr kleinen Kongregation von Sank-Victor.

Gemeinsam mit dem Bistum Metz bildet das Erzbistum Straßburg in Frankreich ein “kirchliches Ausnahmegebiet“ in Frankreich. Im Gegensatz zu den sonstigen Bistümern des Landes gibt es hier eine Kirchensteuer. Im Elsaß gilt nämlich noch das Konkordat aus den Zeiten von Napoleon.

Der Straßburger Oberhirte wird deshalb nominell - trotz des republikanischen Laizismus - vom französischen Staatspräsidenten ernannt. Das dürfte weltweit einmalig sein.

Möglicherweise hat die Ankündigung der Visitation den Zweck, die Dominanz des Heiligen Stuhls und des Straßburger Bischofs zu zeigen oder eine Allianz anzudeuten. Hintergrund könnte die Tatsache sein, dass das Erzbistum Straßburg aufgrund Konkordats deutlich wohlhabender ist als die meisten anderen Diözesen in Frankreich. Das wiederum bedeutet, dass der französische Staat dem Klerus in den Diözesen Elsass und Lothringen ein Gehalt zahlt und Zuschüsse für die Instandhaltung der Gebäude gewährt. Hierin liegt möglicherweise „ein gewisses Gefühl der Unabhängigkeit gegenüber dem Bischof“ begründet, wie La Croix einen Zeugen zitiert.

Möglicherweise waren eben diese Priester auch damit unzufrieden, dass Bischof Ravel bei der diesjährigen Chrisam-Messe nicht anwesend war, da er an diesem Tag den Kandidaten Emmanuel Macron in Straßburg empfing.

Dass es in einer Diözese zu Schwierigkeiten kommen kann, ist sicherlich nicht überraschend. Angesichts der Publizität, die der Visitation bisher zuteilwurde, handelt es sich wahrscheinlich nicht um wirklich unlösbare Schwierigkeiten. Was also ist die Situation genau?

Geht es dem Vatikan und insbesondere dem Papst darum, den französischen Bischöfen ein Signal zu geben? Und wenn ja, welches Signal? Schwierig zu beantworten angesichts der Atmosphäre des ausgehenden Pontifikats