Aktueller Stand im Vatikan-Prozess (2)

In den letzten Sitzungen des Prozesses, in dem zahlreiche Angeklagte vor Gericht stehen, wurden verschiedene Zeugen gehört. Unter den Angeklagten, denen verschiedene Straftaten, insbesondere aber im Zusammenhang mit der Affäre um das „Londoner Gebäude“ in der Sloane Avenue, zur Last gelegt werden, befindet sich auch Kardinal Angelo Becciu.
In der 31. Sitzung des Gerichts traten fünf Zeugen in den Zeugenstand: drei Gendarmen, ein kriminalpolizeilicher Berater und ein Bischof. Dessen Auftritt dauerte allerdings nur zwei Minuten. Die Sitzung konzentrierte sich auf die Verfahren, die die vatikanische Gendarmerie bei den Ermittlungen einsetzte: Bankkontrollen, analysierte Daten auf beschlagnahmten Geräten (Mobiltelefone, iPads, Computer), verschlüsselte E-Mail-Anwendungen, und Bilder, die von Sicherheitskameras aufgenommen wurden.
Luca De Leo, IT-Techniker im Sicherheitszentrum der Gendarmerie, beschrieb seine Tätigkeit: „Alles, was mit Daten zu tun hat, immer auf Anfrage des vatikanischen Staatsanwalts.“ Also Abhören, Verhöre, Spurensuche auf PCs, Smartphones und in E-Mail-Konten, Hausdurchsuchungen.
Insgesamt wurden 243 Geräte beschlagnahmt, analysiert und in die Akten aufgenommen. Dadurch wurde eine alte Kontroverse vom Beginn des Prozesses wiederbelebt: Die Verteidiger beschwerten sich, dass sie nur „teilweises“ Material erhalten hätten. Eine überflüssige Kontroverse, die durch den Beschluss vom 1. März 2022 längst entschieden wurde.
Luca De Leo erklärte ausführlich und auf die Terchnik bezogen, in welchen Schritten er seine Ermittlungen durchführte: von den PC-Extraktionen und Downloads bis hin zu Suchanfragen nach Stichwörtern und Zeitstempeln. In einigen Fällen stießen er und Kollegen sogar auf gelöschte Daten.
Aufschlussreich schien dabei das sogenannte „Dokument der 3%“: Das ist ein Brief vom 17. April 2019, in dem der Staatssekretär dem Makler Torzi drei Prozent des Wertes der Londoner Immobilie zusichert. Er wurde im Gerichtssaal an die Wand projiziert. Dieses Drei-Prozent-Dokument existierte jedoch nur virtuell, denn es gab nie einen Papierausdruck, also „nie eine physische Kopie. Oder zumindest wurde es bei den verschiedenen Nachforschungen nie gefunden“.
Gendarm Luca Bassetti von der Abteilung für Kriminalpolizei beschrieb anschließend die Ermittlungen im Fall von Cecilia Marogna: Es wurden neun Überweisungen an die slowenische Logsic, die Firma, deren Alleineigentümerin Marogna war, und an die britische Security-Firma The Inkerman Group getätigt. Zwei Überweisungen hatten eine Höhe von jeweils 500.000 Euro, damit sollte angeblich die Mission zur Befreiung der Nonne in Mali durchgeführt werden.
Verwendungszweck der Überweisungen war stets der „freiwillige Beitrag zur humanitären Operation“. In einer Nachricht aus dem Jahr 2018 - als Msgr. Alberto Perlasca nicht mehr im Staatssekretariat war - wurde der Kardinal umgehend um 14.150 € gebeten, „um die berühmte Operation zu beginnen“.
Gendarm Bassetti berichtete über einen Bericht der AIF (heute ASIF), in dem von einer „verdächtigen Transaktion“ bei einer Bareinzahlung am 4. September 2018 die Rede war, die möglicherweise von Marogna übergeben wurde. Außerdem wurde Geld von einem Logsics Firmenkonto von Cecilia Marogna verwendet, um zwei Übernachtungen in Vier-Sterne-Hotels auf Sardinien zu bezahlen.
Zum Zeitpunkt dieser Transaktionen war Becciu nicht mehr Substitut im Staatssekretariat und sein Nachfolger, Bischof Edgar Peña Parra, gab an, nichts von der ganzen Geschichte gewusst zu haben. Die Zahlungen wurden von der Crédit Suisse im Auftrag von Tirabassi per E-Mail getätigt, der die Zahlungsanweisung des Substituten beigefügt war, der als Einziger über die Zeichnungsbefugnis verfügte.
Im Verlauf der Anhörungen wurde Herr Luigi Cosi, Hilfspolizist der Kriminalpolizei, zu den Ermittlungen bezüglich der Konten von Tirabassi befragt. Offenbar gab es ein Dutzend davon, die alle bei der UBS Schweiz eröffnet worden warenb Laut Cosi soll der Angeklagte über 1,9 Millionen Euro verfügen können, die aber in der Schweiz beschlagnahmt wurden.
Die Sitzung endete mit der Zeugenaussage des Gendarmen Gianluigi Antonucci über die Finanzierung des Staatssekretariats für die Genossenschaft Spes in Ozieri. Der Zeuge wiederholte Argumente und Hypothesen, die bereits in früheren Anhörungen aufgetaucht waren. Er erklärte, dass die von Spes erzielten Gewinne „nicht an die Caritas gegangen sind“.
Zu Beginn der 32. Anhörung forderte der Vorsitzende des Gerichts die Anklage und die Verteidigung auf, die Fragen so zu formulieren, dass sie keine Fakten wiederholen, die in den Dokumenten vorhanden oder weit von den Anschuldigungen entfernt sind. Der Gendarm Gianluigi Antonucci, der erneut in den Zeugenstand trat, erklärte, welche Konten beim Heiligen Stuhl von den Zahlungen an die Diözese Ozieri betroffen waren. Die Überweisungen „gingen von einem Konto des Staatssekretariats aus, das in der Vatikanbank (Istituto per le Opere di Religione, kurz IOR) im Namen der Abteilung für allgemeine Angelegenheiten geführt wird“, über das „sehr hohe Beträge für den Peterspfennig laufen“.
Zu den vielen Überweisungen gehört auch die von Becciu am 13. Juni 2013 beantragte Überweisung von 100.000 Euro an die Caritas in Ozieri, die der Spes angeblich für Solidaritätsprojekte erhalten hat. Aber Gianlugi Antonucci hält fest: „Theoretisch wurde die Summe nicht ausgegeben. Der Betrag wird auch nicht zurückerstattet“.
Darauf entwickelt sich ein langer Schlagabtausch zwischen den verschiedenen Parteien, bei dem es sich um diese Summe dreht. Die Fronten verhärteten sich währenddessen, für die Ermittler war das Geld verschwunden, während die Verteidigung von Kardinal Becciu behauptete, die Summe sei für wohltätige Zwecke verwendet worden.
Fortsetzung Ende November...
(Quelle: Vatican news – FSSPX.Actualités)
Illustration: Staselnik, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons