Auswanderungswelle: Immer mehr Christen verlassen den Irak

Quelle: FSSPX Aktuell

Flagge des Islamischen Staates

Anfang August 2024 erinnerte der chaldäische Patriarch, Seine Seligkeit Kardinal Louis Raphael Sako, an den zehnten Jahrestag der Vertreibung der Christen aus der Ninive-Ebene. Es war eine Episode, die die irakische Christenheit nachhaltig geprägt hat und die auch weiterhin Christen ins Exil treibt.

Patriarch Sako erinnert über die Nachrichtenagentur der katholischen Kirche, den Fidesdienst: „Es ist eine kollektive Tragödie, die sich in die Köpfe der Menschen eingebrannt hat. Zwar wurde der IS besiegt, aber seine Ideologie bleibt stark“ und dies in vielen Ländern – bis hin nach Afrika. Die Vertreibung erfolge meist mitten in der Nacht durch die Dschihadisten. Die Christen „wurden gezwungen, ihre Häuser und ihren gesamten Besitz sofort zu verlassen.“ 

„Ganze Familien wurden durch Lautsprecher aus dem Schlaf gerissen. Die Menschen wurden gezwungen, in Pyjamas zu fliehen“, berichtete ein Zeuge. Sie „mussten alles zurücklassen, sogar ihre Schuhe, und wurden gewaltsam in die Gegend von Kurdistan gebracht“, berichtet Fides weiter. Insgesamt verließen in dieser Nacht „etwa 120.000 Christen die Ninive-Ebene“. 

Seitdem, so erinnert sich Kardinal Sako, „sind nur 60 Prozent der Christen zurückgekehrt.“ Dennoch, „die soziale Ächtung aufgrund von unterstelltem Sektierertum, das Gesetz über den Personenstand und insbesondere die Zwangsislamisierung von Minderjährigen, wenn ein Elternteil Muslim ist, führen dazu, dass die Christen nicht mehr an die Zukunft glauben“. 

Hinzu kommt offenbar „die derzeit besorgniserregende Situation im Nahen Osten und die Angst vor einem totalen Krieg“, die dazu geführt hat, dass „mehr als eine Million Christen ins Ausland auswandern und ihre Zahl im Irak drastisch reduziert wird. Schätzungen zufolge verlassen jeden Monat 100 christliche Familien den Irak“, so der chaldäische Patriarch. 

Die Website AsiaNews widmete im Juli einen Artikel über die Rückkehr des IS in den Irak und die Zunahme von dortigen Anschlägen: „In den ersten sechs Monaten des Jahres [2024] hat der Islamische Staat bereits 153 Operationen durchgeführt und versucht, sich ‚wiederaufzubauen‘“. Dem US-Geheimdienst zufolge ist eine Rückkehr des Islamischen Staates anlässlich des zehnten Jahrestages seines Vormarsches zu befürchten. 

Ein weiteres Problem besteht in der „Generalamnestie der - von den USA unterstützten - kurdischen Milizen im Nordosten Syriens, die zur Freilassung von mutmaßlichen Dschihadisten oder IS-Anhängern geführt hat“, stellt AsiaNews fest. Auch wenn die gefährlichsten Kämpfer nicht freigelassen werden, „bleibt die Befürchtung, dass eine Massenbefreiung den IS wieder stärken könnte“. 

Erneuter Exodus von Christen aus dem Irak 

Die Catholic News Agency (CNA) titelte: „Irakische Christen verlassen erneut ihre Heimat“ und stellte fest, dass „viele Familien aus dem Land fliehen und in den Nachbarländern Zuflucht suchen, um dort vorübergehend zu verweilen, bevor sie in ferne Länder wie Australien weiterziehen“, und bestätigte damit die Aussagen von Patriarch Sako. 

Die Website veröffentlichte ein Interview mit der Bürgerrechtlerin Basma Azuz: „Die Auswanderung spiegelt einen tiefen Konflikt zwischen der Identität und Heimat einer Person und der Suche nach Sicherheit und Rechten wider. (...) Manchmal ist sie der einzige Weg, um sich eine bessere Zukunft zu sichern.“ 

Basma Azuz führt „die anhaltende Auswanderung aus dem Irak auf soziale, wirtschaftliche, sicherheitsrelevante und politische Faktoren zurück, neben der Angst vor Kirchenverfolgung.“ Zwar habe „der Besuch von Papst Franziskus einen vorübergehenden Hoffnungsschimmer gebracht. Aber, die sich verschlechternde Situation und die Unfähigkeit der Regierung, ihre Versprechen zu halten, haben den Wunsch nach Auswanderung unter den Christen neu entfacht.“ 

CNA kommt zu dem Schluss, dass „die christliche Auswanderungswelle keine Stadt im Irak, einschließlich der Städte in der Region Kurdistan, verschont hat und die christliche Präsenz auf ein Beinahe-Aussterben reduziert hat. Inoffizielle Statistiken der Shlama Foundation (...) bestätigen, dass der Irak in den letzten zwei Jahrzehnten fast 90 Prozent seiner Christen verloren hat.“