China ist alarmiert und will seine Geburtenrate erhöhen

Quelle: FSSPX Aktuell

Dieses Vorhaben ist Hauptbestandteil eines umfassenden Reformpakets. Seit Deng Xiaoping 1978 die chinesische Wirtschaft durch den „Sozialismus chinesischer Prägung“ (Staatskapitalismus) für die Welt geöffnet hat, gab es kein ehrgeizigeres Bemühen.

Louis T. March hat die gigantische Initiative zur Verbesserung der Geburtenrate in China analysiert. Siebzehn Regierungsabteilungen haben gemeinsam einen detaillierten Plan zur Förderung der Fertilität in China veröffentlicht. Vorausgegangen war die Volkszählung von 2021, die die Führung der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) aufschreckte. Festgestellt wurde, dass China einen akuten Mangel an Geburten erlebt. Die Bevölkerung schrumpft jedes Jahr um Millionen von Menschen. Junge Paare haben nicht genug Geld, um für ihre Kinder zu sorgen. Die Zahl der Eheschließungen geht zurück. Ein Gefühl des Unbehagens hat sich breit gemacht, das mit dem Kult des Reichtums einhergeht. Louis T. March hält fest: „Laut einer im Februar durchgeführten Studie des in Peking ansässigen Bevölkerungsforschungsinstituts YuWa ist China nach Südkorea das Land mit der niedrigsten Geburtenrate der Welt. Laut den YuWa-Forschern sind die Frauen besorgt über steigende Bildungskosten, lange Arbeitszeiten und niedrige Löhne.“ 

Seit der Veröffentlichung der genannten Volkszählung haben Provinz- und Stadtregierungen nun Maßnahmen ergriffen, um die Familienbildung zu fördern. Es gibt minimale Hinweise auf Erfolge in einigen Kleinstädten und ländlichen Gebieten. Doch diese vereinzelten Erfolge haben keinen nennenswerten Unterschied gemacht: China verzeichnet jedes Jahr mehr Todesfälle als Geburten. Die Machthaber haben daher beschlossen, eine nationale Familienpolitik umzusetzen. Die chinesische Tageszeitung Global Times war eine der ersten, die die Nachricht verkündete: „17 Abteilungen der chinesischen Regierung veröffentlichen Richtlinien zur Förderung des Bevölkerungswachstums vor dem Hintergrund sinkender Geburtenraten.“ Dabei handelt sich um eine außergewöhnliche Leistung bürokratischer Kooperation: Immerhin 17 Ministerien wurden dazu gebracht, gemeinsam umfassende Richtlinien zu veröffentlichen, um (1) die Fertilität zu fördern und (2) die Fortpflanzung sozial, finanziell und kulturell zu unterstützen. 

Die Leitlinien sind weit gefasst. Sie fordern einen umfassenden Ansatz zur Unterstützung von Ehe und Fortpflanzung, indem sie die Lokalregierungen auffordern, „aktive Maßnahmen zur Unterstützung der Fruchtbarkeit umzusetzen“, die folgendes umfassen: 

  • Subventionierung und Förderung der vor- und nachgeburtlichen Betreuung. 
  • Reaktivierung des Krankenpflegesystems. 
  • Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs. 
  • Verpflichtung zu flexibleren Arbeitszeiten und Heimarbeit. 
  • Direkte finanzielle Unterstützung für Ausbildungskosten. 
  • Vorzugsregelungen für den Kauf von Wohnraum für Familien mit mehreren Kindern, einschließlich größerer Wohnungen. 
  • Mietzuschüsse aus der gesetzlichen Vorsorgekasse (ähnlich der Sozialversicherung) für Familien mit mehreren Kindern. 
  • Steuererleichterungen für Familien mit Kindern unter drei Jahren, zusätzlich zu den bestehenden Steueranreizen für Kinder im Schulalter.

Die Erhöhung der Fertilität ist wurde zur dringenden nationalen Priorität erklärt. So fasst die Global Times die Situation zusammen: „Die Richtlinie vom Dienstag wurde veröffentlicht, um politische Maßnahmen umzusetzen, die darauf abzielen, jedem Paar zu helfen, ein drittes Kind zu bekommen, die Regierung, Institutionen und Einzelpersonen dazu zu bewegen, ihre Verantwortung für die Schaffung eines ehe- und fruchtbarkeitsfreundlichen Umfelds zu übernehmen und das Bevölkerungswachstum zu fördern, so die Richtlinie.“ 

Dafür ist die „Schaffung eines günstigen Umfelds“ für Familien ist von entscheidender Bedeutung. Doch Hao Fuqing von der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission sieht in der unzureichenden Kinderbetreuungsinfrastruktur ein großes Hindernis: „In den Städten benötigt etwa ein Drittel der Familien Kinderbetreuung, aber das Angebot ist nicht wirklich ausreichend und es herrscht ein Mangel an öffentlichen Kinderbetreuungsdiensten.“  

Darüber hinaus hat China eine der höchsten Abtreibungsraten der Welt. Zwischen 2015 und 2019 gab es 17,7 Millionen Abtreibungen; das entspricht 78 Prozent aller abgebrochenen ungewollten Schwangerschaften. Während der drakonischen Ein-Kind-Politik in China waren Abtreibungen weit verbreitet. Nach den neuen Richtlinien wird von Abtreibungen dringend „abgeraten“. 

Ma Li, ein ehemaliges Mitglied des chinesischen Forschungszentrums für Bevölkerung und Entwicklung, sagte, dass es erst der Anfang sei, Familien zu erlauben, drei Kinder zu haben. Er argumentiert, dass China eine familienfreundliche Kultur benötige. Ma Li sagt weiterhin, dass die Kultur von entscheidender Bedeutung ist, um den Geburtenmangel in China zu beheben. Zu diesem Zweck regt er an, eine große Anzahl von Vorschulen und Kindergärten einzurichten; dafür zu sorgen, dass Kinder zu haben kein Karrierehindernis für eine Frau darstellen darf. Außerdem muss das Kindergeld erhöht und die Zahlungen zur Unterstützung von Familien an die Anzahl der Kinder angepasst werden. Denn die Lebenshaltungskosten variieren stark innerhalb Chinas. 

Professor Liang Jianzhang von der Universität Peking beispielsweise plädiert dafür, für jedes Neugeborene eine Million Yuan (150.000 Euro) zu zahlen. Um die Fertilitätsrate des Landes von 1,3 (offizielle Rate) auf 2,1 zu erhöhen, müsste China – laut Professor Liang – 10 Prozent seines BIP ausgeben. Zehn Prozent des BIP sind ein kleiner Preis, den man für das Überleben der Nation zahlen muss. Hinzu kommt: Die chinesische Bevölkerung altert schnell. Die durchschnittliche Familiengröße liegt bei 2,62 und ist rückläufig. Es ist also dringend an der Zeit, dass die chinesische Führung entschlossen und umfassend für die Familie kämpft. Damit hat sie jetzt begonnen.