Christen leiden weltweit unter immer stärkerer Verfolgung
Die katholische Stiftung päpstlichen Rechts, Kirche in Not (Aid to the Church in Need, ACN), hat einen Jahresbericht über die weltweite Christenverfolgung für das Jahr 2021 unter dem Titel „Religionsfreiheit Weltweit Bericht 2021“ (Download: Home - Report ACN (acninternational.org)) vorgelegt. Die Ergebnisse des Berichts sind eindeutig und beklemmend, denn in drei Viertel der untersuchten Länder hat die Unterdrückung oder Verfolgung von Christen seit dem Vorjahr deutlich zugenommen.
In Afrika hat sich die Lage der Christen von allen untersuchten Ländern am dramatischsten verschlechtert. Es gibt immer mehr Hinweise auf eine starke Zunahme genozidaler Gewalt durch nichtstaatliche Akteure. Eine große Bedrohung stellen dabei islamistische Dschihadisten dar. Die Christen auf dem afrikanischen Kontinent sehen sich nämlich besonders mit den gewalttätigen Begleiterscheinungen des aufsteigenden Islamismus konfrontiert. Gruppen wie Boko Haram (Nigeria) und die Westafrikanische Provinz des Islamischen Staates (Islamic State's West Africa Province, ISWAP) versuchen immer noch, Kalifate mit einem eigenen Wali (Gouverneur) und einer eigenen Regierungsstruktur in der Sahelzone zu errichten.
Der Islamische Staat in der Größeren Sahara (ISGS) hat vor allem gesellschaftliche Ereignisse wie Hochzeiten stark reglementiert. Im Juni 2021 richteten ISGS-Kämpfer fünf christliche Zivilisten hin, die sie an einer Straßensperre zwischen Mali und Niger beschlagnahmt hatten. In Mosambik intensivierte Al-Shabab ihre Terrorkampagne, tötete Christen, griff christliche Dörfer an und brannte Kirchen nieder.
In Nigeria bringt der Dschihadismus den Rechtsstaat ebenfalls in große Gefahr: Entführungen, getötete Priester und mörderische Angriffe auf Kirchen werden immer regelmäßiger. Zwischen Januar 2021 und Juni 2022 wurden mehr als 7.600 Christen getötet. Der Vorsitzende der Christlichen Vereinigung Nigerias, behauptete, dass es ein geplantes Programm gebe, um „das Christentum auszulöschen“. Zwei tragische Ereignisse sorgten für internationale Schlagzeilen. Das erste war die Steinigung und Einäscherung der 25-jährigen Deborah Samuel im Mai 2022, weil sie „blasphemische“ Nachrichten über WhatsApp geteilt haben soll. Das zweite war der tödliche Angriff auf die Kirche St. Francis Xavier in Owo im Bundesstaat Ondo während des Gottesdienstes am Pfingstsonntag, bei dem mindestens 40 Menschen getötet wurden.
Es sind nicht immer inoffizielle Organisationen, die den Christen das Leben erschweren. Auch Regierungen beteiligen sich an den Verfolgungen. Im Sudan gab es beispielsweise nach dem Militärputsch, bei dem Omar Al-Bashir, der den Islamismus begünstigte, abgesetzt wurde, keine Anzeichen für eine Besserung der Lage durch die neue Regierung. Sie inhaftierte weiter Priester, klagte ein Ehepaar des Ehebruchs an, weil der Ehemann zum Christentum konvertiert war, und nahm Verhaftungen wegen Apostasie vor.
Eritreische und äthiopische Truppen griffen Geistliche und Kirchen in der Region Tigray an. Den eritreischen Truppen wird vorgeworfen, eine ethnisch motivierte Kampagne der „kulturellen Säuberung“ durchgeführt zu haben. Sie sollen an Massakern an äthiopischen Christen, wie dem in Axum, und an der Zerstörung alter Klöster und religiöser Gebäude beteiligt gewesen sein.
Im Nahen Osten hat die anhaltende Migration die Krise verschärft, die das Überleben von drei der ältesten und größten christlichen Gemeinschaften der Welt, die sich im Irak, in Syrien und in Palästina befinden, bedroht. Es gibt Anzeichen dafür, dass die Lage der Christen in einigen Teilen des Nahen Ostens schlimmer ist als unter dem islamischen Staat (Daesh, IS). Am stärksten ist der Rückgang christlicher Gläubiger in Syrien zu verzeichnen, wo die Christen innerhalb eines Jahrzehnts von 1,5 Millionen (10 Prozent der Bevölkerung) im Jahr 2011 auf geschätzt 300.000 zurückgegangen sind. Nach den Explosionen vom 4. August 2020 in Beirut, die das christliche Viertel schwer getroffen haben, ist das langfristige Überleben der christlichen Gemeinschaft im Libanon ohnehin in Frage gestellt.
Im Irak ist die christliche Gemeinschaft von 300.000 im Jahr 2014 auf nur 150.000 im Frühjahr 2022 geschrumpft. In einigen Regionen sind die christlichen Gemeinden nur noch ein Schatten ihrer selbst. Allerdings gibt es im Irak Hoffnungsschimmer: Ein Programm, das den Wiederaufbau von christlichen Städten und Dörfern, Häusern, Schulen, Kirchen und anderen öffentlichen Einrichtungen beinhaltet, wurde in Angriff genommen.
Die extremistische Bedrohung besteht jedoch in der gesamten Region fort. Ein Wiederaufleben des Dschihadismus könnte dem Christentum einen tödlichen Schlag versetzen, da die Zahl der Gläubigen sehr gering geworden ist, aber auch, weil ihr Vertrauen in eventuell Schutz spendende Mächte sehr fragil ist. Für viele Christen ist der Reiz der Migration nahezu unwiderstehlich. Dieser Wunsch auszuwandern wird dadurch verstärkt, dass Christen nach wie vor als Bürger zweiter Klasse behandelt werden. In der Schule und am Arbeitsplatz diskriminiert, führen schlechte Bezahlung oder Arbeitslosigkeit dazu, dass viele von ihnen ein vernünftiges Leben außerhalb des Landes suchen. Diese Bedrohung ist sehr aktuell. Fast 75 Jahre nach der Gründung des Staates Israel sind die Christen im Westjordanland von 18 Prozent auf weniger als ein Prozent zurückgegangen. Die anhaltenden Angriffe von Randgruppen haben Kirchenführer dazu veranlasst, von einem „systematischen Versuch, die christliche Gemeinschaft aus Jerusalem und anderen Teilen des Heiligen Landes zu vertreiben“, zu sprechen.
In Saudi-Arabien und anderen Ländern mangelt es auf jeden Fall an politischem Willen, die verfassungsrechtlichen Verpflichtungen zur Religionsfreiheit durchzusetzen. Das Festhalten an der Scharia hat Vorrang vor den gesetzlichen Anforderungen in Bezug auf die Rechte aller Menschen. In diesen Ländern sind Christen eine stille und unsichtbare Minderheit. Diese Länder verbieten nach wie vor den Bau von Kirchen, das öffentliche Zeigen von Kreuzen und anderen christlichen Symbolen sowie die Einfuhr von Bibeln und anderen christlichen Texten.
In Asien war der staatliche Autoritarismus der entscheidende Faktor für die zunehmende Unterdrückung von Christen in Burma (Myanmar), China, Vietnam und anderen Ländern. Im schlimmsten Fall wird die Religions- und Gewissensfreiheit einfach aufgehoben, so geschehen in Nordkorea. In anderen Teilen Asiens hat der religiöse Nationalismus zu einer zunehmenden Verfolgung von Christen geführt, insbesondere in Afghanistan, Indien und Pakistan.
China schikaniert und versucht weiterhin, Christen und andere religiöse Gruppen, die die offizielle Linie der Kommunistischen Partei nicht akzeptieren, zu kontrollieren: Es ist das Land mit den meisten Einschränkungen in Bezug auf die Religion.
In Birma hat die Armee ihre Angriffe auf Christen wieder aufgenommen, nachdem es während der Amtszeit von Aung San Suu Kyi zu einer Beruhigung gekommen war. Obwohl die Junta zuvor den Buddhismus als soziale Norm des Landes propagiert hatte, greift sie nun Pagoden und Kirchen an, wie auch jeden, der als Gegner des Staatsstreichs von 2021 wahrgenommen wird.
Insgesamt spielt auch der religiöse Nationalismus eine wichtige Rolle bei der Unterdrückung. Afghanistan ist der größte Rechtsbrecher, da die Taliban der Gesellschaft eine strenge Auslegung der Scharia aufzwingen. Auch die Malediven setzen den Islam rigoros durch und verweigern Nicht-Muslimen sogar die Staatsbürgerschaft. In beiden Ländern ist es praktisch unmöglich, die christliche Bevölkerung zu schätzen, da sie sich verstecken muss.
In Sri Lanka haben nationalistische Hindutva- und Buddhistengruppen Christen und ihre Gebetsstätten ins Visier genommen. Es wurde sogar die Polizei aktiviert, indem diese Gläubige verhaftete oder Gottesdienste unterbrach. Die politischen Siege der religiös-nationalistischen Parteien - Podujana Peramuna in Sri Lanka und Bharatiya Janata Party (BJP) in Indien - verstärken und fördern diese Einstellungen.
In Pakistan sind Christen und Angehörige anderer nicht-muslimischer Glaubensrichtungen in der Gesellschaft verwundbar und einem erhöhten Risiko von Belästigung, Verhaftung und Gewalt ausgesetzt, die bis hin zu Entführung und Vergewaltigung reichen kann. Die religiösen Überzeugungen der Mehrheit werden als Norm angesehen, und Pakistan konstituiert sich als muslimischer Staat. Eine große Rolle bei der Christenverfolgung spielte die Instrumentalisierung der Corona-Pandemie in Pakistan. Während der Einschränkungen durch die Pandemie verteilte der örtliche Zweig des Saylani Welfare International Trust im Bezirk Korangi in Karachi keine Lebensmittel an arme christliche Familien, da islamische NGOs Nichtmuslimen nicht helfen, wenn die Hilfe aus Zakat-Opfern, den religiösen Almosen der Anhänger des Islam, stammte. Die Verletzungen der Religionsfreiheit durch den Staat während der Coronavirus-Pandemie reichten von vorsätzlich drakonisch bis hin zu kalkuliert repressiv.
Sri Lanka gehörte zur ersten Kategorie: Christen und Muslime protestierten dagegen, dass jeder, der wegen COVID-19 verstorben war oder dessen Tod vermutet wurde, eingeäschert werden musste - eine Maßnahme, die weit über die Empfehlungen der WHO hinausging und sich gegen die traditionelle Bestattungsnorm beider Gemeinschaften richtete. Unterdessen nutzte Vietnam das Coronavirus als Vorwand für ein repressives Vorgehen gegen Gläubige und machte mindestens eine christliche Gemeinde zum Sündenbock für die Ausbreitung des Virus in Ho Chi Minh-Stadt.
Schlussfolgerung
Im Untersuchungszeitraum hat sich die Verfolgung von Christen in den wichtigsten betroffenen Ländern weiter verschärft. Religiöser Nationalismus und Autoritarismus verstärkten die Probleme der Gläubigen - insbesondere die Rückkehr der Taliban an die Macht in Afghanistan, die Christen und andere Minderheiten zu verzweifelten Fluchtversuchen veranlasste.
Systematische Gewalt und ein Klima der Kontrolle und Angst haben dazu geführt, dass in so unterschiedlichen Ländern wie Nordkorea, China, Indien und Burma die Unterdrückung der Christen zugenommen hat.
Anderswo hat die Eskalation der Gewalt - oft mit dem Ziel, Christen zu vertreiben - zu Einschüchterungskampagnen geführt, die von militanten nichtstaatlichen Akteuren inszeniert wurden.
Afrika erscheint in dieser Hinsicht besonders besorgniserregend, da der Extremismus dort zuvor starke christliche Gemeinschaften bedroht. In Nigeria und anderen Ländern überschreitet diese Gewalt sogar ganz eindeutig die Schwelle zum Völkermord.
(Quelle: AED – FSSPX.Actualités)
Illustration: © AED