Das Kreuz oder das Stethoskop?
Bei der Weihe einer Kirche geht der Bischof zur Vierung, wo Asche in zwei sich kreuzenden Streifen auf den Boden gestreut wurde. Mit der Spitze seines Bischofsstabs zeichnet er das griechische Alphabet auf den einen Streifen und das lateinische Alphabet auf den anderen.
Diese Zeremonie bedeutet, dass das geweihte Gotteshaus der katholischen Kirche gehört, deren Liturgie hauptsächlich in Latein und Griechisch, im Westen und im Osten gefeiert wird. Diese Querstreifen bilden den griechischen Buchstaben Χ (khi), den ersten Buchstaben des Namens Christi, Χριστός.
Das griechische Alphabet vereint den ersten und den letzten Buchstaben, Α und Ω, Alpha und Omega, und zeigt damit an, dass Christus der Anfang und das Ende aller Dinge ist. Es ist ein Eigentumszeichen: Christus ist zwar König der ganzen Erde, aber als Haupt des mystischen Leibes nimmt er Besitz von diesem besonderen Territorium, das nun ausschließlich ihm geweiht ist.
Auf spiritueller Ebene macht die Tatsache, dass die Buchstaben mit dem Bischofsstab auf einem Aschenkreuz gezeichnet werden, deutlich, dass die Lehre von denen kommt, die die kirchliche Autorität innehaben, und dass sie nur von demütigen Seelen verstanden wird, und dass alles in Jesus Christus, dem Gekreuzigten, zusammengefasst wird.
Das ist die traditionelle Liturgie, lex orandi, sie drückt die traditionelle Lehre, lex credendi, aus. Es ist diese Lehre, die heute leider von den Kirchenmännern, die der modernen Welt „zuhören“, untergraben wird. Es geht nicht mehr darum, die von Gott offenbarte Wahrheit zu empfangen und treu weiterzugeben, sondern darum, auf die Erwartungen der Menschen zu hören und sogar den „Schrei der Erde“ zu vernehmen.
Das vom Konzil gewollte Aggiornamento ist ein „Update“, das unmerklich in eine Anpassung an den Zeitgeschmack übergeht. Das Zweite Vatikanische Konzil wollte kein Lehrkonzil sein, sondern ein Pastoralkonzil: Die Lehre tritt zurück und eine Pastoral ohne Lehre entsteht.
Davide Pagliarani, Generaloberer der Priesterbruderschaft St. Pius X., sagte jüngst in einem Interview: „Es wird eine Kirche ohne Lehre, ohne Dogma, ohne Glauben propagiert, in der man keine Autorität mehr braucht, die irgendetwas lehrt.“
In der Tat ist es heute nicht mehr die Spitze eines Bischofsstabs, die die Wahrheiten der katholischen Lehre und Moral in die Köpfe und Herzen eingraviert, sondern ein Stethoskop, das das Herzklopfen der modernen Welt untersucht. Man hört zu und führt einen Dialog, ohne eine Diagnose oder ein Urteil zu stellen oder ein Rezept oder ein Gebot zu verschreiben.
Die neuen Missionare, die nur ungern die geoffenbarte Wahrheit verbreiten, schweigen aus Angst, als „Proselytenmacher“ beschimpft zu werden. Sie sind aphasisch, was die Wahrheiten der Erlösung angeht, aber gesprächig, wenn es um Ökologie und Einwanderung geht.
Wie wäre es, wenn man, anstatt die Kirche der modernen Welt zu öffnen, den tiefen Sinn der Weihe einer Kirche wiederfinden würde, die uns daran erinnert, was die Kirche selbst ist: Porta Cæli, die Tür zum Himmel!
Pater Alain Lorans
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(Quelle: NDC, n° 201 - FSSPX.Actualités)