Der französische Katholizismus mit seinen Sonnen- und Schattenseiten

Frankreich steht in Europa damit nicht allein. Es säkularisiert sich immer weiter. Weniger als die Hälfte der Franzosen glaubt an Gott, und die katholische Praxis nimmt laut dem letzten Bericht des französischen Meinungs- und Marktforschungsinstituts Institut français d’opinion publique (IFOP) im Auftrag des Observatoire Français du Catholicisme ab. Dennoch lassen eine wahrnehmbare spirituelle Suche, eine positive Wahrnehmung der Katholiken und ein Anstieg der Erwachsenentaufen eine missionarische Erneuerung erahnen.
Das Bild Frankreichs als „älteste Tochter der Kirche”, in dem der katholische Glaube, einst Säule der kollektiven Identität, allmählich verschwindet, erscheint im trüben Licht. Was Jahr für Jahr fast schon zur gewohnten Erkenntnis wird, geht aus dem am 2. Juni 2025 vom IFOP im Auftrag des vom katholischen Magnaten Pierre-Edouard Stérin gegründeten Think Tank veröffentlichten Bericht mit unschöner Deutlichkeit hervor.
Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Im Jahr 2025 geben nur noch 41 Prozent der Franzosen an, an Gott zu glauben, während 59 Prozent sich als ungläubig bezeichnen. Dieser Glaubensverlust ist kein Einzelfall, sondern Bestandteil eines jahrhundertelangen Niedergangs. Im Jahr 1947 gaben 66 Prozent der Franzosen an, an Gott zu glauben. 2004 waren es nur noch 55 und 2023 nur noch 44 Prozent. Die spirituelle Entfremdung schreitet zwar langsam voran, scheint aber unaufhaltsam zu sein und markiert einen kontinuierlichen Rückgang der göttlichen Präsenz in den Herzen der Menschen.
Zu dieser Glaubenskrise kommt ein ebenso deutlicher Rückgang der Religionsausübung hinzu. Zwar sind 76 Prozent der Befragten getauft, was einen deutlichen Rückgang gegenüber 92 Prozent im Jahr 1961 darstellt, doch die Teilnahme am Gemeindeleben und an den Sakramenten bricht ein. Von den Getauften betreten 66 Prozent nie eine Kirche, um an der Messe teilzunehmen, und nur zwei Prozent sind praktizierend.
Noch aussagekräftiger ist, dass sich nur 17 Prozent der Befragten als gläubige und praktizierende Christen bezeichnen, während sich 83 Prozent davon distanzieren. Dieses Desinteresse an institutionellen Praktiken spiegelt eine wachsende Distanz zwischen den Franzosen und der Kirche wider.
Dennoch zeigt die IFOP-Umfrage auch differenziert zu betrachtende Entwicklungen. Da ist zunächst die Meinung der Franzosen zur Kirche. Trotz der sorgfältig dokumentierten Missbrauchsfälle äußern sich 53 Prozent der Befragten positiv über die kirchliche Institution. Auch die Katholiken selbst werden positiv wahrgenommen, denn 69 Prozent der Franzosen haben eine gute Meinung von ihnen.
Diese Wohlwollen wird stark durch die Nähe zu den Gläubigen beeinflusst. 74 Prozent derjenigen, die eine positive Meinung vom Katholizismus haben, haben Kontakt zu mehreren Christen, 61 Prozent kennen mindestens einen, und unter denen, die keinen kennen, haben 53 Prozent eine positive Meinung. So übt die Präsenz der Katholiken im sozialen Gefüge also weiterhin einen diskreten, aber durchaus spürbaren Einfluss aus.
So gibt fast jeder zweite Franzose (49 Prozent) an, zumindest einen praktizierenden Katholiken in seinem Umfeld zu haben, 53 Prozent kennen mehrere. Diese Nähe ist keineswegs unbedeutend, sondern wirkt als potenzieller Hebel, um die Reputation des Katholizismus zu erneuern und vielleicht das Interesse am Glauben wieder zu beleben.
Ein weiteres Zeichen ist das nach wie vor lebendige spirituelle Streben. 81 Prozent der Franzosen geben an, auf einer „spirituellen Suche” zu sein. Dieser Durst nach Transzendenz, wenn auch diffus und oft losgelöst von institutionellen Rahmenbedingungen, offenbart ein tiefes Bedürfnis nach Sinn und Heiligkeit, gepaart mit viel Unwissenheit. Fast die Hälfte der Franzosen hat im vergangenen Jahr eine Kirche betreten, um zu beten, sich zu sammeln, eine Kerze anzuzünden oder Zuflucht in der Stille eines heiligen Ortes zu suchen.
Ein weiteres Phänomen bestärkt diese Hoffnung. Damit ist der Anstieg der Erwachsenentaufen im Jahr 2025 gemeint. Nach Angaben der französischen Bischofskonferenz haben mehr als 17.800 Katechumenen das Sakrament der Taufe empfangen (10.384 Erwachsene und 7.400 Jugendliche im Alter von elf bis 17 Jahren), das sind 45 Prozent mehr Erwachsene und 33 Prozent mehr Jugendliche als 2024 – eine Zahl, die seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht mehr erreicht wurde.
Diese Welle von Bekehrungen reicht zwar bei weitem nicht aus, um den dramatischen Rückgang der Kindertaufen vor dem Hintergrund einer zunehmenden Säkularisierung auszugleichen, doch sie scheint ein deutliches Zeichen für ein wiederauflebendes Interesse am christlichen Glauben oder zumindest für eine spirituelle Suche zu sein, die im Katholizismus eine konkrete Antwort findet.
In diesem Zusammenhang findet der Aufruf von Papst Leo XIV. an den Episkopat und die Katholiken Frankreichs zum hundertsten Jahrestag der Heiligsprechung der heiligen Therese von Lisieux, des heiligen Jean-Marie Vianney und des heiligen Jean Eudes großen Widerhall. „Das christliche Erbe prägt Ihre [die französische, Anm. d. Red.] Kultur noch immer tief“, schreibt der Heilige Vater und ruft die Franzosen dazu auf, sich auf das Beispiel der Heiligen zu stützen, deren Leben und Werk weiterhin inspirierend wirken, um die Wunder, die Gott in der Vergangenheit vollbracht hat, zu erneuern.
Dazu müsste jedoch der Glaube dieser Vorbilder der Heiligkeit wiedergefunden werden. Ein Glaube, der stark verwässert ist und diejenigen, die sich als Katholiken bezeichnen, oft auf das gleiche Niveau der Unwissenheit wie Nichtkatholiken stellt. Die Verantwortung für die klare und deutliche Verkündigung liegt in erster Linie bei den Bischöfen, aber sie muss zunächst als Impuls vom Heiligen Stuhl ausgehen.
(Quelle: Ifop – FSSPX.Actualités)
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