Diplomatisches Chaos im Vatikan
Matteo Bruni, Direktor des Presseamtes des Heiligen Stuhls
Der vatikanische Pressesaal bestätigte vor ein paar Tagen, dass sich der Heilige Stuhl bei der Russischen Föderation für die Äußerungen von Papst Franziskus entschuldigt habe, die der Kreml als „russophob“ und „pervers“ bewertet hatte. Dies war noch nie vorgekommen und deutet auf eine chaotische Kommunikation des Heiligen Stuhls hin.
Ende November letzten Jahres hatte der argentinische Pontifex in einem Interview mit der progressiven Zeitschrift America Magazine behauptet, dass einige der „grausamsten“ Kämpfer in der russischen Offensive in der Ukraine „nicht russischer Herkunft“ seien, sondern Minderheiten wie „Tschetschenen, Burjaten“ angehörten, womit er sich auf indigene Völker bezog, die zur Russischen Föderation gehörten. Diese verbale Entgleisung führte in Moskau zu einem Eklat und verschlechterte das Ansehen der römischen Kirche rasant.
Die Sprecherin des Kreml, Maria Sacharowa, ließ ihrer Empörung in den sozialen Netzwerken daraufhin freien Lauf und meinte: „In diesem Stadium ist das mehr als Russophobie, es ist Perversion.“ Außenminister Sergej Lawrow war etwas zurückhaltender und machte sich über das „unchristliche“ Verhalten des Nachfolgers Petri lustig.
Ramzan Kadyrow, einer der engsten Verbündeten Wladimir Putins, antwortete ironisch: „Der Papst hat die Tschetschenen und Burjaten als die grausamsten in der russischen Armee dargestellt. Wie kann man nur durch einen Blick erraten, welcher Ethnie ein russischer Soldat in einer bestimmten Einheit angehört, wenn unser Land von mehr als 190 Ethnien bewohnt wird?“
Matteo Bruni, Kommunikationschef des Vatikans, hatte am 15. Dezember keine andere Wahl, als die von der russischen Präsidentschaft vorgebrachte Entschuldigung zu bestätigen: „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann ich bestätigen, dass es diplomatische Kontakte in diesem Sinne gegeben hat.“ Der Kreml stellte klar, dass es sich bei der Entschuldigung um eine offizielle Erklärung von Kardinal Pietro Parolin, dem Staatssekretär des Heiligen Stuhls und der Nummer zwei im Vatikan, handelt.
Der Gouverneur von Burjatien - einer Region, auf die sich die Bemerkungen des Papstes bezogen - begrüßte die Antwort des Heiligen Stuhls. „Vor dem Hintergrund der westlichen Hysterie ist die offizielle Entschuldigung des Heiligen Stuhls eine starke Geste“, sagte Alexej Cydenov.
Es ist nicht das erste Mal, dass der derzeitige römische Pontifex seine Reden improvisiert oder sehr frei hält und damit den diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls unter Druck setzt. Doch diesmal sind die Folgen vielleicht noch dramatischer: Der Vatikan hatte vor einigen Tagen sein Vermittlungsangebot im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine wiederholt, das von Moskau schroff zurückgewiesen und im Kontext der letzten Wochen als unannehmbar betrachtet wurde.
So demütigend die Entschuldigung auch sein mag, so wird sie doch vielleicht helfen, die Kommunikation des römischen Pontifex zu überdenken.
(Quellen: Agence France-Presse/Ria Novosti – FSSPX.Actualités)
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