Eine verhängnisvolle Manipulation im Vatikan

Quelle: FSSPX Aktuell

Es sollte eigentlich ein verkaufsförderndes Unternehmen für elf kleine von der vatikanischen Buchhandlung herausgegebenen Werke sein, welche einige Aspekte des Denkens von Papst Franziskus hervorheben. Doch es hat sich in einen Alptraum für das Kommunikationssekretariat des Vatikans verwandelt.

Rückblick auf ein nahezu perfektes Verbrechen in fünf Akten.

I. Akt: Der Präfekt wendet sich an den emeritierten Papst

Am 12. Januar 2018 schrieb der Präfekt des vatikanischen Kommunikationssekretariats, Bischof Dario Viganò, dem emeritierten Papst Benedikt XVI., um ihn zu bitten, „einen kurzen und kompakten theologischen Text“ zu verfassen, mit dem Ziel, den Verkauf von elf kleinen Büchlein zu steigern. Diese stammen von verschiedenen Theologen und werfen ein positives Licht auf die Denkweise von Papst Franziskus.

Am 7. Februar sendet Benedikt XVI. seine Antwort in einem Briefumschlag zurück mit der Aufschrift „persönlich – vertraulich“, so der Vatikanist Andrea Tornielli. Dieser fügt noch hinzu, dass die nächststehenden Personen von Josef Ratzinger ausdrücklich von einer Verbreitung dieser Antwort abgeraten haben.

II. Akt: In seiner Euphorie erwähnt der Präfekt den Brief vor der Weltpresse

Am 12. März, dem Vortag des fünfjährigen Jubiläums der Wahl von Papst Franziskus, hielt es Bischof Viganò für klug, die Vertraulichkeit des Briefes zu ignorieren. So gab er den Journalisten den Teil zu lesen, in dem der emeritierte Papst „dieser Initiative“ zustimmt, „welche reagieren und sich dem törichten Vorurteil entgegenstellen möchte, demzufolge Papst Franziskus nur ein Praktiker ohne besondere theologische oder philosophische Bildung wäre, während ich einzig ein theoretischer Theologe gewesen sei, der wenig vom konkreten Leben eines heutigen Christen verstanden hätte“.

Und Benedikt XVI. fügt hinzu: „Diese Bucherscheinungen zeigen ausdrücklich, dass Papst Franziskus ein Mann von tiefer philosophischer und theologischer Bildung ist und heben die innere Kontinuität zwischen den beiden Pontifikaten hervor, wenngleich mit allen Unterschieden in Stil und Temperament.“

„Urbi et orbi“ verbreitete Worte, welche die Idee einer tiefen Kontinuität von einem Pontifikat zum anderen hervorzuheben scheinen, zwischen das nicht einmal ein Blatt Papier passe.

Akt III: Gute Spürnasen wittern eine Manipulation

Der Vatikanist Sandro Magister drückt schon am folgenden Tag ein bestimmtes Unwohlsein aus, welches von der Weltpresse geteilt wird: Auf dem Foto, welches am 12. Januar den Journalisten zugeschickt wurde, sind die letzten beiden Linien der ersten Seite durch Verpixelung unkenntlich gemacht, und der gesamte Text der zweiten Seite ist, mit Ausnahme der Unterschrift, durch 11 kleine Bücher verdeckt.

Die Associated Press jedoch, welche die Rechte über das Foto besitzt, ist über dieses Verfahren erstaunt und bezeichnet es als „nicht den ethischen Regeln entsprechend“.

Auf diese Proteste hin veröffentlicht der Vatikan am 13. März einen längeren Text, welcher anscheinend „das vollständige Schreiben“ wiedergibt. Darin erklärt Papst Benedikt, dass er nur über Bücher schreibt, welche er gelesen habe und dass er anderes zu tun habe, als diese Bücher zu lesen. Der Text endet wie folgt: „Ich bin sicher, dass Sie das verstehen werden und grüße Sie herzlich.“

Aber wie es auch bei Eisenbahnzügen der Fall sein kann, so verhält es sich auch mit Presseschwindeln: Ein kann den zweiten verdecken.

4. Akt: Die Kunst, seine Fehler zu bekennen

Einige Tage später, am 17. März, bemerkt eben derselbe Sandro Magister  in seinem Blog "Settimo Cielo", die erstaunliche Position der Unterschrift auf der zweiten Seite lasse vermuten, dass der Text viel länger sei, als derjenige, welcher der Öffentlichkeit mitgeteilt wurde. Nach „zweifelsfrei sicheren“ Quellen, die aus dem „Umfeld von Benedikt XVI.“ stammen, stelle dieser Absatz eigentlich eine heftige Kritik gegen gewisse Autoren dieser Sammlung dar, welche für ihre unorthodoxe Einstellung gegen die katholische Lehre bekannt sind.

Einige Stunden später veröffentlicht der Heilige Stuhl schließlich kampfesmüde die wirklich vollständige Version des Briefes, „auf die Bitte von Benedikt XVI. hin“, so der Journalist für Religionsfragen des Figaro, Jean-Marie Guénois. Dieser Brief zeigt das Erstaunen und sogar die Empörung des emeritierten Papstes, dass er gebeten wurde, ein Buch zu loben, dessen Autor das kirchliche Lehramt heftig angegriffen hat. Der Leser bemerkt schließlich, nicht ohne Erstaunen, dass man beim letzten Satz das Wort „Weigerung“ entfernt hatte: „Ich bin sicher, dass Sie meine Weigerung verstehen werden.“

Die Wirkung ist katastrophal und die von Mgr Viganò behauptete Kontinuität zwischen den beiden Pontifikaten löst sich mit einem Schlag ins Nichts auf.

5. Akt: Wer hoch steigt, der kann tief fallen

Am 21. März fällt das Beil: der Papst akzeptiert den „spontanen“ Rücktritt von Mgr Dario Viganò von seinem Amt als Präfekt des Kommunikationssekretariats des Heiligen Stuhls.

Mit einigen Tagen Abstand kann man mittlerweile feststellen, dass die Behauptung der „inneren Kontinuität“ der beiden Pontifikate durch einen skrupellos manipulierten Brief in Wirklichkeit darauf hinausläuft, Benedikt und Franziskus zu sehr „ins Rampenlicht zu stellen“, mit dem Risiko, sie in Misskredit zu bringen: das war der Fehler von Mgr Viganò, und dieser reicht, um ihn zu disqualifizieren.

Welch ein schlechtes Licht wurde außerdem auf das Kommunikationssekretariat und auf den Heiligen Vater selbst geworfen, der doch am 24. Januar 2018 in einer Nachricht an die Journalisten darum bat, „an der gemeinsamen Anstrengung mitzuwirken, um die Verbreitung von falschen Neuigkeiten zu verhindern und den beruflichen Wert des Journalismus wieder neu zu entdecken“!

„In Rom Reformen durchzuführen, heißt gleichsam die Sphinx von Ägypten mit einer Zahnbürste zu putzen“, so hatte der Papst in seiner Ansprache an die Kurie am 21. Dezember 2017 ironisch geäußert. Er wollte vor „der gestörten und degenerierten Logik der Konspirationen und der kleinen Kreise warnen, welche wirklich – trotz aller Rechtfertigungsgründe und guten Absichten – ein Krebsgeschwür darstellen, das zur Egozentrik führt“.

Gegen eine solche Krankheit ist die zweitausendjährige Tradition der Kirche zweifellos das geeignetste Heilmittel…