Fiducia supplicans – Ein Jahr später nur heiße Luft?

Es gibt eine gewisse Tendenz unter den Völkern, die Katastrophen in ihrer Geschichte zu relativieren – oder sogar zu vergessen. Eine ähnliche Aura hilflosen Verdrängens umgibt in der Kirche den ersten Jahrestag der Verkündigung von Fiducia supplicans.
Es war der 18. Dezember 2023. Ein Tag, der mit einem Debakel in der Kirchengeschichte verbunden bleiben wird: Das Dikasterium für die Glaubenslehre (DDF) veröffentlichte eine Erklärung über die Segnung von „irregulären und gleichgeschlechtlichen Paaren“, ein Dokument, das der Pontifex ausdrücklich gebilligt hatte.
Ein Text, der in der katholischen Welt mit Ablehnung aufgenommen wurde, da man sich bezüglich der Zweideutigkeiten des Textes ziemlich einig war. Man sprach sich gegen seine Anwendung aus. Die Reaktion des afrikanischen Kontinents ist hinlänglich bekannt, aber der Widerstand war in gewissem Sinne global.
Ein Jahr später ist der erhoffte Erfolg in progressiven Kreisen ausgeblieben, wie der von La Croix zitierte Religionssoziologe Jean-Louis Schlegel beklagt: „Stellt Fiducia supplicans einen Fortschritt in der katholischen Mentalität dar oder einen Rückschritt, so sehr hat das Ausmaß dieser Opposition die sich vertiefende kulturelle Kluft und die anhaltende Gewalt gegen Homosexualität in der Welt manifestiert.“
Die kulturelle Kluft, liegt allerdings wohl vielmehr zwischen einem sterilen Progressivismus, der aus der Zeit nach dem Konzil hervorgegangen ist, und der zweitausendjährigen Tradition der Kirche.
In Frankreich gibt es wenig Informationen über die konkreten Auswirkungen von Fiducia supplicans: „Die Segnungsanträge werden auf Diözesanebene verwaltet, ohne dass sie auf nationaler Ebene weitergeleitet werden“, erklärt Véronique Lonchamp, die nationale Familienbeauftragte der Französischen Bischofskonferenz, gegenüber La Croix.
In den Diözesen, die von der französischen religiösen Tageszeitung kontaktiert wurden, lassen sich die Anträge auf Segnungen homosexueller Paare, sofern sie überhaupt vorliegen, „an den Fingern einer Hand abzählen: ‚Das scheint keine Massenwirkung erzeugt zu haben‘, sagt Cyrille de Compiègne, Co-Vorsitzender und Sprecher einer Vereinigung, die sich für die volle Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare in der Kirche einsetzt.“
Dennoch haben viele Bischöfe keine Mühen gescheut, um den „Kundendienst“ gewährleisten zu können: „Fast die Hälfte der Diözesen hat inzwischen eine Person, die für die Pastoral ‚Glaube und Homosexualität‘ zuständig ist“, fügt Véronique Longchamp hinzu. Doch der gesunde Menschenverstand scheint gesiegt zu haben, und die Erklärung des DDF hat sich eher in Luft aufgelöst.
Dies scheint ein Schlag ins Gesicht für den progressivsten Teil des Episkopats, der die Schuld auf einen „verwirrenden“ Text schiebt, der für seinen Geschmack nicht weit genug geht: „Es gibt einen Mangel an klaren Bezugspunkten in dem Dokument, das eine Rekonstruktionsleistung erfordert, um verstanden zu werden. Dies konnte seinen Inhalt fragwürdig machen“, beklagt der Erzbischof von Sens-Auxerre, Pascal Wintzer, bitter.
Für die immer seltener werdenden Befürworter der Fiducia supplicans, die dem Fundament der nachkonziliaren Werte treu bleiben wollen, liegt das Problem eher bei den Katholiken und Priestern, die im Vergleich zur gesamten Gesellschaft angeblich noch zu „rechts“ eingestellt sind.
(Quelle: La Croix – FSSPX.Actualités)