Franziskus Traum und die Realität unter den chinesischen Machthabern

Quelle: FSSPX Aktuell

Kardinal Matteo Zuppi

Auf Monday Vatican vom 29. August 2024 berichtet Andrea Gagliarducci über die Intervention von Kardinal Zuppi bei der chinesischen Regierung und kommentiert sie scharf.

Er weist zu Recht darauf hin, dass es „nicht reicht, die Pressemitteilung zu lesen, in der das Presseamt des Heiligen Stuhls uns mitteilt, dass Kardinal Matteo Zuppi [Vorsitzender der italienischen Bischofskonferenz und Mitglied der Gemeinschaft Sant'Egidio. Anm. d. Red.] ein Telefongespräch mit Li Hui, dem Sonderbeauftragten der chinesischen Regierung für euro-asiatische Angelegenheiten, geführt hat. 

Man sollte auch die Pressemitteilung der chinesischen Seite lesen, die am 14. August eintraf, einen Tag vor der Pressemitteilung des Heiligen Stuhls. Die Details und Unterschiede in den Pressemitteilungen sagen viel mehr aus als die offiziellen Worte.“

Und weiter: „Die Pressemitteilung des Presseamtes des Heiligen Stuhls vom 15. August erklärt, dass das Gespräch zwischen Kardinal Zuppi und Li Hui „im Rahmen der dem Kardinal von Papst Franziskus anvertrauten Mission für den Frieden in der Ukraine und nach dem Treffen in Peking im vergangenen September“ stattgefunden habe.

Im Kommuniqué wurde betont, dass „während des Telefonats große Besorgnis über die Situation und die Notwendigkeit geäußert wurde, den Dialog zwischen den Parteien zu fördern, mit angemessenen internationalen Garantien für einen gerechten und dauerhaften Frieden.“

Die Erklärung des Vatikans beschränkt sich darauf, die Situation in der Ukraine zu erwähnen. Pekings Tonfall ist jedoch ein anderer. Glaubt man den Chinesen, war es Zuppi, der Den Chinesen zufolge war es Zuppi, der um den Anruf gebeten hat. Das ist keine Kleinigkeit. Peking erklärt: „Li Hui würdigte die anhaltenden Bemühungen des Vatikans, in der Ukraine-Krise zu vermitteln und humanitäre Hilfe zu leisten“, und fügt hinzu: „[Li Hui] betonte, dass die aktuelle Situation die Bedeutung der sechs von China und Brasilien herausgegebenen gemeinsamen Vereinbarungen zeigt.“

In der Pekinger Erklärung heißt es außerdem, dass „Matteo Zuppi im Namen von Papst Franziskus der chinesischen Regierung für ihre unerschütterlichen Bemühungen um den Frieden dankte und seine Wertschätzung für die positive Rolle der sechs gemeinsamen Vereinbarungen bei der politischen Lösung der Ukraine-Krise zum Ausdruck brachte.“ Schließlich „tauschten beide Seiten auch ihre Ansichten über die aktuelle Situation der Ukraine-Krise, den Prozess der Friedensgespräche und andere [Fragen] aus.““

Römischer Traum und chinesische Realpolitik

Andrea Gagliarducci zufolge zeigt die chinesische Erklärung, dass „Peking dieses [von Zuppi erbetene] Telefongespräch als internationale Anerkennung des Heiligen Stuhls nutzen möchte. Und das genau zu einem Zeitpunkt, an dem Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit in Peking zu entscheidenden Themen zu werden scheinen, die auch im Rahmen des Wahlkampfs für die amerikanische Präsidentschaft zur Sprache kommen könnten.“

Aber, so erinnert der italienische Vatikanist, der Kern des Problems ist: „Der Papst träumt davon, nach China zu reisen. Er unternimmt Schritte in China, um seine Sympathie zu bekunden. So hat er die einseitige Ernennung von Bischof Shen Bin zum Bischof von Shanghai „repariert“, ihn seinerseits ernannt und damit verhindert, dass ein exkommunizierter Bischof an der Spitze einer wichtigen chinesischen Diözese steht.

China nimmt diese Kreditevergabe des Papstes wahr und möchte vielleicht den Schritt hin zu vollen diplomatischen Beziehungen erzwingen. Dies würden die Probleme der Religionsfreiheit, die der Heilige Stuhl in seinen vertraulichen Gesprächen stets in den Vordergrund stellt, verdecken, könnte den Heiligen Stuhl aber auch dazu zwingen, seine Beziehungen zu Taiwan abzubrechen. Taiwan von seinem einzigen verbliebenen westlichen Verbündeten zu entfernen, könnte die Grundlage für Chinas Strategie mit dem Heiligen Stuhl sein.“

Andrea Gagliarducci stellt fest, Andrea Gagliarducci stellt fest, dass "es keine Lesart der chinesischen Erklärung gab, nicht einmal in einigen Kommentaren der vatikanischen Medien, die die Standpunkte hätte ausgleichen und andere Perspektiven liefern können. Es gibt einen Mangel an alternativer Kommunikation über China innerhalb des Heiligen Stuhls, weil der Wille des Papstes alles eigeebnet hat.

Man könnte sagen, dass dies schon immer so war, aber mit Papst Franziskus haben die Medien im Vatikan ihre Strategie gewissermaßen auf den Papst und die Interessen des Papstes konzentriert. Bisher handelt es sich nur um ein Telefongespräch.

Allerdings deutet die Tatsache, dass das Staatssekretariat nicht involviert war, dass China Zuppi als Gesprächspartner betrachtet und dass Zuppi um ein Telefonat gebeten hat, all dies darauf hin, dass der Papst versucht, einen Dialog mit China zu erzwingen.

Der Vatikanist weiter: „Kurz gesagt, lieber als nach Russland würde Papst Franziskus gerne zum Jubiläum 2025 nach China reisen. Dies rechtfertigt einen großen Schritt nach vorn in der Anerkennung des Dialogs. Aber die eigentliche Frage ist: Welchen Preis ist der Papst bereit, der Kirche für eine Reise nach China zu berechnen? Und was wird der persönliche Preis des Papstes für die Verfolgung des chinesischen Traums sein?“

Bildung eines kommunistischen „patriotischen“ Klerus

Aktuell ist der Preis das, was uns Wu Xiuying [Pseudonym. Anm. d. Red.] auf Bitter Winter vom 23. August enthüllt: „In China beginnt der katholische Klerus, eine „patriotische Erziehung“ zu erhalten.“

Der Autor erinnert: „Das Gesetz über die patriotische Erziehung trat am 1. Januar 2024 in Kraft. Am 4. Januar veröffentlichte die 25. Sitzung der Gemeinsamen Nationalen Konferenz der Religionsgruppen Richtlinien, wie das Gesetz über patriotische Erziehung von den Religionsgemeinschaften umgesetzt werden sollte.

Dieses Gesetz wurde als das wichtigste Instrument der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) für die innere Propaganda in den kommenden Jahren begrüßt. Die Richtlinien zielten darauf ab, die staatlich kontrollierten Religionen noch stärker als bisher zu Sprachrohren der Parteipropaganda zu machen.“

Und er zeigt die erzwungene Unterwerfung des chinesischen Klerus auf: „Die Kirchenbürokraten wissen, dass sie der neuen Politik der „strengen Religionsführung“ nicht entkommen können, die auf der Vorstellung beruht, dass regierungsfreundliche religiöse Hierarchen nicht allein in der Lage sind, die Religionsgemeinschaften zu kontrollieren, und dass eine direkte Aufsicht durch die KPCh und die Vereinigte Front erforderlich ist.

Ein Beispiel dafür, was in mehreren Provinzen geschieht, ist der Kurs zur patriotischen Erziehung für katholische Vertreter in Jiangxi, der vom Provinzbüro für ethnische und religiöse Angelegenheiten von Jiangxi diesen August 2024 im Sozialistischen College von Jiangxi Fuzhou in Fuzhou, Provinz Jiangxi, veranstaltet wurde.“

Das Programm dieser Umerziehungssitzungen lautet:: „Das Programm umfasste Vorträge und praktische Workshops mit von Experten geleiteten Kursen zu Themen wie Xi Jinpins Denken, dem 100. Geburtstag der KPCh und wie Katholiken die Partei und ihr Zentralkomitee unterstützen können, wobei der Schwerpunkt auf dem kürzlich abgehaltenen Dritten Plenum lag. Auch das Thema der „strengen Staatsführung“ [1] wurde vorsichtig eingeführt.

Interessanterweise führte einer der im Rahmen des Kurses organisierten Ausflüge die Priester und Laienarbeiter zum Propagandamuseum der Roten Armee in Hufang im Bezirk Le'an. Die Region ist reich an Parolen der Roten Armee aus der Zeit des Bürgerkriegs, die gesammelt und in das Museum überführt wurden. Dies war, wie die Organisatoren sagten, eine einzigartige Gelegenheit für katholische Priester und Laienarbeiter, als treue Anhänger der Kommunistischen Partei „das rote Gen zu erben“.“

Das ist die Realität. Und trotzdem werden die Vereinbarungen zwischen dem Vatikan und China über die Ernennung von Bischöfen weiterhin regelmäßig verlängert. Ihr Inhalt bleibt stets geheim. Niemand im Vatikan wagt es jedoch, den chinesischen Traum von Franziskus zu stören, aber die Fakten sprechen eine deutliche Sprache. 

[1] Die Website Decoding China erklärt die von Xi Jinping hoch geschätzte „strenge Regierungsführung“ oder „gute Regierungsführung“. „Diese strenge Auslegung richtet sich nach dem politisch-ideologischen Diskurs der KPCh, der die absolute Autorität der Partei betont, die 2018 in der chinesischen Verfassung kodifiziert wurde. Das Hauptziel besteht darin, sicherzustellen, dass die KPCh ihre Rolle bei der guten Regierung des Landes erfüllt. Öffentliche Ordnung, soziale Stabilität (das heißt keine Demonstrationen) und die Gewährleistung des Wirtschaftswachstums gelten als Referenzparameter. Die Betonung der übergeordneten Gemeingüter wie öffentliche Ordnung und Sicherheit bedeutet, dass selbst Gesetze, die die bürgerlichen Freiheiten stark einschränken, als wichtige Pfeiler einer guten Regierungsführung gesehen werden.“