Hat sich der Vatikan der vorherrschenden liberalen Ideologie angepasst?

Am 29. Januar 2025 äußerte der italienische Wissenschaftler Stefano Fontana, der Direktor des International Observatory Cardinal Van Thuan for the Social Doctrine of the Church (Internationale Beobachtungsstelle Kardinal Van Thuan für die Soziallehre der Kirche), die Ansicht, dass „die politischen Entscheidungen, die Donald Trump seit den ersten Tagen seiner Präsidentschaft getroffen hat, die Führung der katholischen Kirche in Schwierigkeiten bringen werden.“
Seiner Meinung nach stehen diese ersten Entscheidungen „im Widerspruch zu den vom Vatikan verfolgten Orientierungen in den Bereichen Einwanderung, Gender-Fragen, Umwelt und ‚grüne‘ Wirtschaft und machen deutlich, dass sich im Westen ein globales System herausgebildet hat, das von der liberalen, im amerikanischen Sinne, das heißt progressiven Kultur dominiert wird.“ Mit anderen Worten: „Eine elitäre und totalitäre Postdemokratie, gesteuert von der amerikanischen demokratischen Regierung und bestehend aus einer Vielzahl von Machtzentren, deren Aktionen sie koordinierte.“
Und weiter: „Zu diesen Machtzentren gehörten die Internet-Giganten, die Massenmedien, die Universitäten, die sogenannten philanthropischen Stiftungen, die internationalen Agenturen, die wichtigsten westlichen Regierungen und die Führung der Europäischen Union. […] Es gibt viele Gründe zu der Annahme, dass die katholische Kirche zu diesem totalitären System beigetragen hat und dass der unvorbereitete Beobachter zwischen ihren eigenen Zielen und denen der Biden-Regierung, des Davoser Forums, der Europäischen Kommission oder der WHO – um nur einige zu nennen – viele Übereinstimmungen feststellt.“
Stefano Fontana setzt seine Analyse der Ausrichtung der römischen Autoritäten auf die progressive Ideologie fort: „Die erste Schwierigkeit der katholischen Kirche besteht genau darin, dass sie es nicht geschafft hat, sich von der vorherrschenden ideologischen Macht zu befreien, sich nicht aus den Maschen des Systems zu befreien, die Gerechtigkeit nicht so verteidigt zu haben, wie sie es hätte tun sollen. Die Bischöfe nicht unterstützt zu haben, die den Abtreibungsbefürwortern wie Präsident Biden und Nancy Pelosi nicht die Kommunion reichten, Klaus Schwab mehrere Botschaften der Unterstützung und Glückwünsche geschickt zu haben, in denen behauptet wurde, das Davoser Forum könne viel für das Gemeinwohl tun.“
Fontana: „Und noch dazu jede Kontrolle und Einschränkung der Einwanderung entschieden verurteilt zu haben, das globale Polizeisystem akzeptiert und unterstützt zu haben, das in den zwei Jahren der Covid-Periode eingerichtet wurde, und alle Entscheidungen der WHO bestätigt zu haben. Auf die vom Menschen verursachte globale Erwärmung bestanden zu haben, auch mit offiziellen Dokumenten wie der Exhortation Evangelii gaudium oder der Enzyklika Laudato si', und diese Klimahysterie unterstützt zu haben, die jetzt von Trump torpediert wird, weil sie keine wissenschaftliche Grundlage hat und den arbeitenden Massen Armut bringt...“
Zusammenfassend: „All dies und noch viel mehr zeugt von einer sklavischen Haltung gegenüber dem gegenwärtigen System der sozialen Kontrolle. Die Politik, die die Kirche unterstützt hat, indem sie sie entweder selbst vorgeschlagen hat oder indem sie über ihre negativen Aspekte geschwiegen hat, hat großen Schaden angerichtet.“
Eine schwache und kaum gehörte Stimme
Als Beispiel für diese Komplizenschaft nennt der italienische Wissenschafter die schwache Stimme der Kirchenmänner in Sachen Abtreibung und Gender-Ideologie: „Ihre Stimme ist schwach und fast nicht mehr zu hören, da sie es vorzieht, sich zu Einwanderungs- und Umweltfragen zu äußern“, schreibt er.
„Aber inzwischen hat das liberale Weltsystem das Recht [auf Abtreibung] auf die Geburt ausgedehnt, es in der Verfassungen verankert […], es zu einem Menschenrecht erklärt wie im Europäischen Parlament und in vielen Ländern die Verteilung von Abtreibungspillen per Post legalisiert.“
Und er fügt hinzu: „Als der Oberste Gerichtshof dank der Ernennungen durch Trump während seiner ersten Amtszeit die vorherige Gesetzgebung als verfassungswidrig aufhob und den Bundesstaaten die Zuständigkeit in dieser Angelegenheit zurückgab, hat der Vatikan dies einfach zur Kenntnis genommen“, meint Stefano Fontana und fügt hinzu: „Jetzt lässt Trump die inhaftierten Pro-Life-Aktivisten frei, aber die Kirche hatte keinen Protest zu ihrer Verteidigung mobilisiert. Wir haben kein Wort gehört.“
Zur von der progressiven Ideologie geförderten Homosexuellen-Problematik stellt der italienische Akademiker fest: „Homosexualität wird nun als etwas Natürliches akzeptiert: ‚Gott liebt uns so, wie wir sind‘, so Papst Franziskus kürzlich gegenüber einer Transgender-Person, und so auch die Fiducia supplicans, die nicht-liturgische Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare zulässt.“
Stefano Fontana betont auch die „rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare“ durch die Kirche, die bisher von der Glaubenskongregation verboten war, und verweist auf den amerikanischen Kardinal Blase Cupich an, der sich für die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare ausgesprochen hat.
Zusammenfassend erklärt Fontana, dass die Ausrichtung der Kirche auf diese globalistische Agenda zu gesellschaftlichem Schaden, Wirtschaftskrisen, sozialen Spannungen und einer Schwächung der kirchlichen Lehre in grundlegenden moralischen Fragen geführt hat.
Eine antikatholische Regierung
Diese Komplizenschaft mit der von der Regierung Joe Biden geförderten Ideologie ist umso unerklärlicher, als die regierende Demokratische Partei der Vereinigten Staaten kein Geheimnis aus ihrer Politik gegen Familie und Leben gemacht hat.
Wie George Weigel in First Things vom 22. Januar feststellte: Unter seiner Präsidentschaft leitete Joe Biden „die entschiedenste Pro-Choice-Administration [Pro-Abtreibungs-Administration] in der amerikanischen Geschichte – mit sich selbst als Hauptverfechter einer uneingeschränkten und unregulierten Abtreibungserlaubnis […]. Diese Anstiftung nahm viele Formen an. Sie wurde grotesk zusammengefasst durch Bidens Verleihung der Presidential Medal of Freedom, der höchsten zivilen Auszeichnung der USA, an Cecile Richards, langjährige Leiterin von Planned Parenthood. – Auch Papst Franziskus erhielt diese Auszeichnung von Joe Biden, bevor er das Weiße Haus verließ.“
Und er betonte: „Unter der Biden-Regierung hat sich die Gender-Ideologie – ein Frontalangriff auf die biblische Vorstellung des Menschen und eine Bedrohung der Religionsfreiheit – in praktisch allen Bundesbehörden festgesetzt. Es ist daher nicht überraschend, dass diese Regierung den ‚Pride Month‘und das LGBTQ+-Programm gefördert hat, obwohl empirisch nachweisbar wurde, dass die ‚Transition‘ [Geschlechtsumwandlung] die psychische Gesundheit im Laufe der Zeit nicht verbessert und dass chirurgische Eingriffe und die Verabreichung von Pubertätsblockern an Jugendliche, die an Geschlechtsdysphorie leiden, als Kindesmisshandlung verurteilt werden sollten.“
George Weigel zögert nicht, die Politik der Biden-Regierung als „Programm zu bezeichnen, das nicht nur als nicht-katholisch, sondern vielmehr als antikatholisch beschrieben werden könnte.“
(Quellen: Observatoire Cal Van Thuân/First Things – Trad. à partir de benoitetmoi et belgicatho/DICI n°453 – FSSPX.Actualités)
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