Im Heiligen Land ist die Präsenz der Christen bedroht

Quelle: FSSPX Aktuell

Palästinensische Christen

Die Christen in Jerusalem machen nur noch einen winzigen Bruchteil der Bevölkerung aus, nämlich knapp 10.000 Menschen, also weniger als zwei Prozent der Gesamtbevölkerung. Das ist ein enormer Schwund von den ursprünglich elf Prozent, die es noch vor einigen Jahrzehnten gab. Die große Mehrheit in Jerusalem besteht aus palästinensischen Arabern. Und es gibt auch eine kleine armenische Gemeinde.

Die Christen in Jerusalem werden offenbar immer weniger und die, die übrig bleiben, sehen sich im Alltag mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert. Denselben Problemen übrigens, denen alle Palästinenser ausgesetzt sind. So kann es sein, dass ein heiratswilliges Paar, von dem ein Teil aus Bethlehem stammt, bis zu 20 Jahre auf eine Genehmigung für ein gemeinsames Leben in Jerusalem warten muss. 

Auch die Kirchen sehen sich aufgrund der Aktivitäten radikaler jüdischer Siedlergruppen, die oft aus den USA finanziert werden, mit besonderen Schwierigkeiten konfrontiert. Denn die Ziele der Radikalen stehen im Widerspruch zu dem modus vivendi, der Jerusalem lange Zeit seinen einzigartigen Charakter verliehen hat. So erniedrigen einige Radikale unter anderem auch Kleriker. Im vergangenen November bespuckte ein uniformierter Soldat den armenischen Patriarchen, als dieser mit dem Kreuz in einer Prozession durch die Stadt zog. Es gibt auch körperliche Übergriffe oder verbale Beleidigungen durch radikale jüdische Gruppen, die auf diese Weise ein feindseliges Umfeld schaffen. 

Ein weitaus größeres Problem ist die geplante Erweiterung des Nationalparks um den Ölberg: Immerhin 20 christliche Stätten wären davon betroffen. An diesem Ort befindet sich ein großer Teil des Landes im Besitz von Kirchen oder Palästinensern, ebenso wie neue Siedlergrundstücke. 

Ein Teil des Projekts beinhaltet den Bau einer großen Promenade, die zwei Siedlergemeinschaften miteinander verbinden würde. Eine israelische Gruppe weist darauf hin, dass Israelis, wenn sie den Park betreten, mit bewaffnetem Schutz rechnen müssten und das Gebiet für Palästinenser gefährlich werden würde. 

Der Park würde eher der israelischen Behörde für Natur und Parks als den städtischen Behörden unterstehen. Und dies obwohl sich das Gebiet in den besetzten Gebieten befindet, also rechtlich gesehen außerhalb des Geltungsbereichs des israelischen Rechts. Die Behörde hätte die Ermessensbefugnis, infrastrukturelle Entwicklungen zu genehmigen, Kirchen und Anwohner würden somit die Kontrolle über ihr Eigentum verlieren. 

Darüber hinaus ignorieren die Jerusalemer Stadtbehörden die Bedürfnisse der Kirchen. Sie organisieren Veranstaltungen, die den Charakter Jerusalems nicht berücksichtigen. Teile der Altstadt können beispielsweise tagelang abgeriegelt werden, wodurch der Zugang zu den Kirchen verhindert wird. 

Kardinal Pierbattista Pizzaballa, der lateinische Patriarch von Jerusalem, erklärt, dass bei den Siedlergruppen ihre Philosophie die Ausgrenzung ist: „Sie haben diese Haltung von ‚dieser Ort gehört uns‘.“ Christen werden geduldet oder eingeladen, doch der Kardinal: „Aber wir sind keine Gäste: Es ist auch unser Haus.“ 

Hinzu kommen die Aktivitäten der Siedlergruppe Ateret Cohanim, die strategisch wichtige Immobilien in der Altstadt gekauft hat. Darunter das Hotel Little Petra und das Hotel Imperial, die beide in einem Gebiet von symbolischer Bedeutung für die Kirchen liegen, sowie das große Gasthaus St John's in der Nähe der Grabeskirche. 

Diese Transaktionen wurden möglich, weil der ehemalige griechisch-orthodoxe Patriarch einem Finanzberater Vollmachten erteilte, der die Pachtverträge für die Immobilien auf einer zweifelhaften Rechtsgrundlage an die Siedler verkaufte. Der derzeitige Patriarch focht diese Vereinbarungen an, doch der Oberste Gerichtshof Israels wies die letzte Berufung vor einigen Monaten ab, obwohl neue Beweise vorgelegt wurden. 

Daniel Seidemann, ein israelischer Anwalt für Bau- und Raumplanung, hält diese Immobiliengeschäfte für schwerwiegend: „Dies ist kein isolierter Vorfall. Er ist Teil eines umfassenden Plans, der direkt von der israelischen Regierung gesponsert wird und darauf abzielt, die Altstadt und ihre Umgebung einzukreisen und sie in eine Version von Jerusalem nach den biblischen Motiven der Siedler einzubinden. Diese Initiative ist Teil des Netzes einer umfassenden Politik, die darauf abzielt, die Altstadt mit Siedlungen und siedlerbezogenen Aktivitäten zu umgeben und zu durchdringen. Und das ist nicht nur eine Bedrohung für die Hotels, sondern eine Bedrohung für den Charakter Jerusalems und, genauer gesagt, eine Bedrohung für die Lebensfähigkeit der christlichen Präsenz in Jerusalem, und so sehen es auch die Kirchen.“ 

Die Probleme der Kirche in Jerusalem sind natürlich nicht neu. Aber nach den letzten Wahlen in Israel, die den Siedlern und ultraorthodoxen Juden ein noch größeres Gewicht verliehen haben, besteht die Gefahr, dass der Druck immer größer wird und der kleine Rest der Christen weiter abwandert.