Im Irak steht die chaldäische Kirche vor der Zerreißprobe
Synode der chaldäischen Kirche vom 15. bis 19. Juli 2024
Während die Lage der Christen im Irak immer prekärer wird, flammt zwischen dem Patriarchen der chaldäisch-katholischen Kirche, der kürzlich aus dem Exil zurückgekehrt ist, und fünf seiner Bischöfe ein Streit auf. Dabei geht es um die Haltung der Bischöfe im Konflikt zwischen dem irakischen Staatsoberhaupt und dem Oberhaupt der chaldäischen Kirche.
Man hätte angesichts der Gesamtlage auf diese neue Affäre gut verzichten können: Der römische Sitz des Dikasteriums für die orientalischen Kirchen hat den Streit, der seit mehreren Jahren die syro-malabarische katholische Kirche in Indien untergräbt, noch lange nicht bereinigt.
Am 7. September 2024 erklärte Kardinal Louis Raphael Sako, dass er die von ihm eingeleitete Klage gegen fünf chaldäische Bischöfe, darunter den Bischof von Erbil, eine Symbolfigur an den Ufern von Tigris und Euphrat, „an die nächsthöhere kanonische Instanz“ weitergeleitet habe.
Die chaldäische Kirche ist eine der 23 orientalischen Kirchen, die Rom angegliedert sind, aber über eigene Gesetze und Bräuche verfügen, die vom Heiligen Stuhl bestätigt werden. Sie behauptet, weltweit 600.000 Gläubige zu haben, aber aufgrund der jahrzehntelangen Gewalt und der Kriege in der Region ist es schwer zu schätzen, wie viele noch im Irak leben.
Seit nunmehr über einem Jahr befindet sich der chaldäische Patriarch im Konflikt mit dem irakischen Staatsoberhaupt Abdul Latif Rashid, einem kurdischen Muslim, der beschuldigt wird, über die Organisation der Babylonischen Brigaden, einer Miliz, die eine bunte Mischung aus Schiiten, Sunniten und Christen vereint, den iranischen Einfluss im Land zu fördern.
Der Höhepunkt des Konflikts ereignete sich im Juli 2023, als Kardinal Sako ins Exil nach Irakisch-Kurdistan ging, um den Versuch des Staates, Kircheneigentum zu enteignen, und die von Rayan al-Kildani, dem Anführer der christlichen Sektion der Babylonischen Brigaden, gegen ihn geführte Kampagne anzuprangern.
Während seines Exils beschwerte sich der Patriarch über die für seinen Geschmack zu maßvolle Haltung mehrerer Prälaten, darunter Bischof Bashar Warda, der für einige mit Abdul Latif Rashid zu paktieren schien.
Seit seiner Rückkehr nach Bagdad im April letzten Jahres hat Kardinal Sako die Prälaten aufgefordert, die Entscheidung des Staates, ihm nicht mehr das Recht auf die Verwaltung des Kirchenvermögens zuzuerkennen, anzuprangern. Das hat Erzbischof Warda bislang abgelehnt. Der Erzbischof von Erbil und vier seiner Mitbrüder im Bischofsamt weigerten sich sogar, an der im Juli veranstalteten Synode teilzunehmen.
Am 28. August ging der Patriarch zum Angriff über, indem er eine Erklärung veröffentlichte, in der er die fünf Bischöfe der „schweren Verletzung“ der kirchlichen Einheit beschuldigte und ihnen bis zum darauffolgenden 5. September Zeit gab, sich zu unterwerfen und Wiedergutmachung zu leisten, doch bis dato vergeblich. Kardinal Sako gab nun bekannt, dass er sich an eine „höhere Instanz“ gewandt habe.
Wenn das Gesetzbuch der Ostkirchen einem Patriarchen erlaubt, Sanktionen gegen einen Bischof zu verhängen, muss dies mit den Mitgliedern der Synode abgestimmt sein. Kardinal Sako ist jedoch entschlossen, sich an Rom zu wenden, genauer gesagt direkt an den Papst, wie The Pillar berichtet, da der Patriarch keine guten Beziehungen zum Dikasterium für die Ostkirchen unterhält.
In Rom sind viele Kurienmitglieder der Ansicht, dass Sako, der seit Juli 76 Jahre alt ist, ein Hindernis für die Stabilität in der Region darstellt, und würden es begrüßen, wenn ein anderer Prälat, der den politischen Mächten mehr entgegenkommt, sein Nachfolger würde.
Zu beachten ist dabei, dass der chaldäische Patriarch die Unterstützung des irakischen Premierministers Mohammad Shia Al-Sudani genießt. Er unterzeichnete das Dekret zur Wiedereinsetzung des Patriarchen in seine – vom Staatschef abgeschafften – gesetzlichen Vorrechte ohne dessen Zustimmung. Kardinal Sako hat also durchaus Unterstützung in der irakischen Regierung.
(Quelle: The Pillar – FSSPX.Actualités)
Illustration: Vatican News