Keine Berührungsängste - Die Konzilspäpste und das Heidentum
Papst Franziskus mit dem Schamanen Raymond Gros-Louis bei einer „rituellen Reinigung“ in Kanada
Während seiner jüngsten Reise nach Kanada nahm Papst Franziskus an heidnischen Riten teil und trug den indianischen Federschmuck. Das sorgte für Aufregung. Sein Verhalten steht im Einklang mit den Lehren von Laudato si' und der Amazonas-Synode. Aber er ist nicht der erste: Nachkonziliare Päpste lieferten bereits Präzedenzfälle.
Bereits 1907 sagte der heilige Pius X. in seiner Enzyklika Pascendi voraus, dass der Modernismus logischerweise zu einer Form des Pantheismus führen würde. Seit dem Konzilsdokument Nostra aetate erleben wir, wie sich diese Lehre immer offener manifestiert.
Wenn sich das Göttliche in allen Religionen auf die eine oder andere Weise manifestiert oder wenn „Christus“ die Vereinigung Gottes mit dem gesamten Menschengeschlecht darstellt (wie Gaudium et spes und Johannes Paul II. in Redemptor hominis argumentieren), können wir dann nicht weiterhin sagen, dass Christus die Vereinigung des Göttlichen mit der gesamten Schöpfung darstellt?
In der Enzyklika Laudato si' von 2017 sind Aussagen in dieser Richtung häufig: „Der Vater ist die letzte Quelle von allem, die liebevolle und kommunikative Grundlage von allem, was existiert. Der Sohn, der sie widerspiegelt und durch den alles erschaffen wurde, wurde mit dieser Erde vereint, als er im Schoß Marias Gestalt annahm. Der Geist, das unendliche Band der Liebe, ist im Herzen des Universums innig gegenwärtig, belebt und erweckt neue Wege." (Nr. 238).
„Für die christliche Erfahrung (sic) finden alle Geschöpfe des materiellen Universums ihre wahre Bedeutung im fleischgewordenen Wort, weil der Sohn Gottes einen Teil des materiellen Universums in seine Person eingegliedert hat, in das er den Keim einer endgültigen Umwandlung eingebracht hat.“ (Nr. 235).
„Christus hat diese materielle Welt in sich aufgenommen, und jetzt, als Auferstandener, wohnt er im Innersten eines jeden Wesens, umgibt es mit seiner Zuneigung und durchdringt es mit seinem Licht.“ (Nr. 221).
Wenn aus einer solchen Perspektive für den Modernisten alle Religionen gültige Ausdrucksformen der vitalen Immanenz des Göttlichen im Menschen sind, dann ist das Heidentum die gültigste Ausdrucksform davon. Papst Franziskus hatte dies auf seine Weise verdeutlicht. In seiner Predigt am 7. Oktober 2019 fragte er: „Was ist der Unterschied zwischen den Federn, die ihr auf dem Kopf habt, und den Kopfbedeckungen, die die Beamten in unseren Dikasterien tragen?“ In seiner gewohnt einfachen Sprache drückte der Papst den Gedanken der Gleichgültigkeit gegenüber den verschiedenen religiösen Ausdrucksformen aus, auch gegenüber allen Manifestationen des universellen Sinns für das Göttliche, der dem Menschen innewohnt. Diese unangemessene Gedankenführung ist der modernen Ökumene leider zu eigen. Doch während das Christentum, wenn es über den Kosmos als Gottheit spricht, darum bemüht, das Bild der Inkarnation zu verwenden und es als Paradigma für etwas anderes zu nehmen, wie es Teilhard und Laudato si' tun, braucht das alte Heidentum solche Sprünge nicht. Daher auch das wiederholte Lob der in Laudato si' enthaltenen Kultur der Aborigines (vgl. Nr. 146 und 179) für ihre beispielhafte Einheit mit dem göttlichen Kosmos, und daher das idyllische Bild der indianischen Kultur, das von der Amazonas-Synode präsentiert wurde.
Das Instrumentum laboris (IL) dieser Synode macht das Leben in Einheit mit dem „Biom“ der Indianer zum absoluten Vorbild. Nicht nur, weil diese die Natur respektieren, sondern weil sie ein spirituelles Konzept leben, das es ihnen ermöglicht, sich in das Ganze zu integrieren. Das Lob einer solchen Konzeption ist sehr explizit und wird gern wiederholt. Etwa in Nr. 104, wo angeregt wird, „die Mythen wiederzugewinnen und die gemeinschaftlichen Riten und Feiern zu aktualisieren, die einen bedeutenden Beitrag zum Prozess der ökologischen Umkehr leisten.“
In der Tat „sind indigene Rituale und Zeremonien für die ganzheitliche Gesundheit von entscheidender Bedeutung, da sie die verschiedenen Zyklen des menschlichen Lebens und der Natur integrieren. Sie schaffen Harmonie und Gleichgewicht zwischen den Menschen und dem Kosmos. Sie schützen das Leben vor Übeln, die von Menschen und anderen Lebewesen verursacht werden können. Sie helfen bei der Heilung von Krankheiten, die der Umwelt, dem menschlichen Leben und anderen Lebewesen schaden.“ (Nr. 87).
Deutlicher kann man kaum sagen, dass die Harmonie mit dem Kosmos das Ergebnis der spirituellen Vorstellungen der Einheimischen und ihrer Rituale ist, doch der Text geht noch viel weiter. In Nr. 75 lesen wir: „In den Familien pulsiert die kosmische Erfahrung. [...] Kurz gesagt, in der Familie lernt man, in Harmonie zu leben: zwischen den Völkern, zwischen den Generationen, mit der Natur, im Dialog mit den Geistern.“
Gott selbst, verstanden als der dem Menschen und dem Kosmos innewohnende Sinn für das Göttliche, ist in all dem am Werk. Er verkörpert sich sogar (auf Teilhardsche Weise; nach dem französischen Jesuiten Pierre Teilhard de Chardin) darin: „Es ist eine große Gelegenheit für die Kirche, die verkörperte und aktive Gegenwart Gottes zu entdecken: in den verschiedensten Erscheinungsformen der Schöpfung, in der Spiritualität der Urvölker, in den Ausdrucksformen der Volksreligiosität, in den verschiedenen Volksorganisationen, die sich den Großprojekten widersetzen; im Vorschlag für eine produktive, nachhaltige und solidarische Wirtschaft, die die Natur respektiert.“ (IL n. 33). Die Kirche hat genau die Aufgabe, diese Gegenwart Gottes zu „entdecken“ und sie in ihre eigenen Institutionen und Dogmen einzufügen, denn Gott offenbart sich gerade in dieser pantheistischen Gegenwart und vor allem in der Spiritualität des Heidentums, die so aufschlussreich ist für das, was die Modernisten über Gott denken.
Im Lichte dieser kurzen Darstellung kann die Teilnahme moderner Päpste an wahrhaft heidnischen Riten nicht mehr überraschen. Wir sprechen hier nicht von den Riten, die von den Päpsten in Assisi-ähnlichen ökumenischen Treffen autorisiert und organisiert wurden, sondern von denen, an denen sie persönlich teilgenommen haben. Jeder kennt beispielsweise die Verehrung der Pachamama durch den Pontifex und die Mitglieder der Amazonas-Synode im Jahr 2019. Nur wenige wissen jedoch, dass im Sommer 2017 anlässlich des Jahrestags der diplomatischen Beziehungen zu Japan eine No-Theateraufführung im Vatikan stattfand, bei der das klassische Drama Hagoromo aufgeführt wurde. Dabei gab es ein Shinto-Ritual namens Okina, bei dem die Schauspieler Gottheiten spielen, die für Frieden und Wohlstand tanzen. Der Darsteller des Okina muss sich vor Beginn reinigen. Zu den Opfergaben, die am Altar dargebracht werden, gehören der Menbako, eine Truhe mit den Masken, die für die Aufführung verwendet werden, und der Sake, der für die Okina verwendet wird. Es war also ein wahrhaft heidnisches Ritual, das in den apostolischen Palästen auf dem Vatikanhügel stattfand. Ausgerechnet auf dem Hügel, der vor vielen Jahrhunderten durch das Martyrium des heiligen Petrus, das Werk Konstantins und des heiligen Sylvester gereinigt wurde.
Im Juli 2022, am vierten Tag seiner jüngsten Reise nach Kanada, führte ein Schamane der Huronen-Wendat-Nation im Rahmen der geplanten Begrüßungszeremonie vor dem Papst eine „rituelle Reinigung (smudging) in alle vier Richtungen“ durch, wobei er Süßgras und Tierfedern benutzte, um heiligen Rauch zu verbreiten, der zu Ehren von Manitou, dem großen Geist, verbrannt wurde. Der Pontifex erhielt eine Truthahnfeder und Süßgras und wurde dann aufgefordert, an einem „spirituellen Kreis“ teilzunehmen, von dem aus „wir ein heiliges Feuer visualisieren können“. Der Zauberer fügte hinzu, dass „das heilige Feuer alles, was in der Schöpfung existiert, vereint.“ Der Eingeborene erklärte: „Wir werden die Erde, den Wind, das Wasser und das Feuer ehren. Wir werden den mineralischen Aspekt, den pflanzlichen Aspekt und den menschlichen Aspekt ehren.“
Um „die vier Richtungen zu öffnen“, pfiff der ehemalige Schamane viermal auf einem Knocheninstrument und sprach dabei spezielle Beschwörungsformeln. Am „westlichen Tor“ angekommen, stimmte er an: „Ich bitte den westlichen Vorfahren, uns Zugang zum heiligen Kreis der Geister zu gewähren, damit sie mit uns sind, damit wir vereint und gemeinsam stärker sind.“ Alle Anwesenden wurden dann aufgefordert, ihre Hände auf ihr Herz zu legen. Videosequenzen zeigen, dass der Papst sowie die Bischöfe und Kardinäle alle den heidnischen zeremoniellen Befehl ausführten, der ihnen erteilt worden war.
1984 hatte Johannes Paul II. in Kanada bereits an der gleichen Zeremonie wie Papst Franziskus teilgenommen. Allerdings hatte man ihm eine in seltene Essenzen getauchte Adlerfeder und Blut gegeben, um den Rauch zu zerstreuen - in Erinnerung an den damals noch nicht lange zurückliegenden Mordversuch. Ein Bericht über dieses Ritual, das dem mit Papst Franziskus gefeierten ganz ähnlich ist, findet sich in La Croix vom 8./9. September 1984.
Die Anzahl der heidnischen Rituale, an denen Johannes Paul II. teilnahm, kann hier nicht vollständig aufgeführt werden. Besonders erwähnenswert ist unserer Ansicht das Gebet im Heiligen Wald von Togo, bei dem ein Medizinmann Geister beschwor, und eine rituelle Reinigung mit aktiver Beteiligung des verstorbenen Pontifex (siehe L'Osservatore Romano vom 11. August 1985).
In Indien wurde der Papst 1986 mit dem Gesang vedischer, also heidnischer und offen pantheistischer Hymnen und zahlreichen Zeremonien mit eindeutig hinduistischer Natur empfangen, die sogar mit der Feier der Messe vermischt wurden. Und schließlich trug Paul VI. als erster Papst bei einer Audienz in Castel Gandolfo im September 1974 eine indische Federhaube.
So unmodern scheint der päpstliche Modernismus heute.
(Quelle: Vatican/La Croix/L’Osservatore Romano – FSSPX.Actualités)
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