Maria, Vorbild der Gattin und Mutter

Wie schwer ist es für die Glieder der Familie, ihre Standespflichten treu zu erfüllen und genau jenen Platz in der Familiengemeinschaft einzunehmen, welche die Vorsehung ihnen weist!
Der Stolz und alle anderen Sünden machen besonders der Frau es schwer, ihre scheinbar untergeordnete Rolle zu wahren. Es ist deshalb sehr wichtig, in der Gegenwart Mariens zu leben.
Vor uns steht gleichsam die Immaculata, die Königin über alle Engel und Heiligen, die erwählte Mutter des Schöpfers und Erlösers der ganzen Welt. Und was tut sie? Sie lebt das unscheinbare Leben irgendeiner Hausfrau und Familienmutter von niedrigem Stand. Alles ist hier Diskretion, Bescheidenheit, Einfachheit, große Armut, immerwährende Liebe zum Nächsten, die ihm in allen Nöten zu Hilfe eilt.
Wenn die anderen Mädchen und Frauen vom Dorf ihr begegnen, wie sie am Brunnen Wasser holt, dann lächeln sie ihr zu und gehen vorbei, ohne auch nur zu ahnen, dass sie die Mittlerin aller Gnaden, die Miterlöserin und Königin des Weltalls gegrüßt haben. Diese Demut und Liebe zur Verborgenheit ist die besondere Gnade der Immaculata für die Familie, ohne die eine Frau nie eine gute Mutter und Gattin sein kann.
Maria war „verlobt mit einem Manne mit Namen Joseph“ (Mt 1,18, Lk 1,27). Diese Verlobung ist gleichbedeutend mit der Ehe. Der heilige Thomas sagt mit den Vätern, dass zwischen Maria und Joseph eine wahre Ehe bestand, denn das Wesen der Ehe besteht in einer unlöslichen Vereinigung der Seelen, durch welche jeder der beiden Gatten dem anderen eine unerschütterliche Treue zu bewahren hat (Summa Theologica III, q. 29, a. 2). Somit bestand eine unlösbare Vereinigung der Seelen zwischen Maria und Joseph, ein Höchstmaß an gegenseitiger Liebe.
Nun aber ist Maria in noch viel höherem Maße ganz Gott zu eigen, ganz und gar Gott hingegeben in dem Grad, dass Gott sie ganz und gar besitzt, der Heilige Geist sie zu seinem auserwählten Heiligtum, zu seiner Braut macht.
Wie lässt sich beides vereinbaren? Wir stehen hier am Quell des Geheimnisses der Nächstenliebe, am Quell der wahren Gemeinschaft, der Freundschaft unter den Seelen, am Quell der wahren christlichen Ehe. Wie Maria, so gehört jeder Mensch zunächst ganz und gar Gott. Es gibt nur eine wahre Liebe, die aus Gott kommt und zu Gott zurückkehrt, denn Gott ist die Liebe.
Das Herz Mariä lebt ununterbrochen ihr Fiat, sie vertraut ihm ganz, lässt sich ganz leiten. Der Heilige Geist will nun, dass sie ihr Herz dem heiligen Joseph schenkt, dass ihre Liebe zu Gott sich gleichsam verwirklicht, konkret angewendet wird, ausstrahlt und weiterstrahlt in der Hingabe an den heiligen Joseph. So nimmt sie nichts zurück von ihrer Ganzhingabe an Gott, im Gegenteil, sie lebt dieselbe in ihrer Fülle, indem sie ihren Bräutigam ganz liebt mit der Liebe, die sie zu Gott hat.
So zeigt Maria ein wichtiges Lebensgesetz: Je mehr wir Gott lieben und ihm hingegeben sind, umso mehr lieben wir den Nächsten. Und damit gibt uns Maria den Schlüssel für eine wahrhaft glückliche Ehe, denn eine Ehe ist nur dann glücklich, wenn sie in der Atmosphäre wahrer Liebe gelebt wird.