Die Masken in Syrien fallen

Quelle: FSSPX Aktuell

Monsignore Jacques Mourad, syrisch-katholischer Erzbischof von Homs

Während die westlichen Medien von einem neuen Syrien sprechen, dessen neuer starker Mann oft mit dem sich widersprechenden Begriff „gemäßigter Islamist“ beschrieben wird, erheben sich in der katholischen Kirche, im Nahen Osten und in Europa etliche Stimmen, um vor den neuen Gefahren zu warnen, denen die Katholiken seit dem Sturz des Assad-Clans ausgesetzt sind.

In Syrien vereinte der Katholizismus etwa 368.000 Gläubige – das waren etwa zwei Prozent der Bevölkerung vor dem Krieg. Heute sind es wahrscheinlich aufgrund der Auswanderung sehr viel weniger. Die Kirche ist daher eine religiöse Minderheit, die sich aus einem Mosaik von Riten zusammensetzt: melkitisch (griechisch-katholisch), maronitisch, syrisch, chaldäisch, armenisch und lateinisch. 

Diese Gemeinschaften, die seit den ersten Jahrhunderten des Christentums historisch im Land verwurzelt sind, wurden durch mehr als dreizehn Jahre Bürgerkrieg (2011-2024), die Verfolgung durch dschihadistische Gruppen wie die Organisation Islamischer Staat (IS) und eine verheerende Wirtschaftskrise, die durch internationale Sanktionen und das Erdbeben im Februar 2023 verschärft wurde, schwer geprüft. 

Seit der Machtübernahme des ehemaligen Dschihadisten Abu Mohammed al-Jolani – der seinen früheren Namen Ahmed al-Charaa wieder angenommen hat – durch die islamistische Gruppe Hayat Tahrir al-Sham(HTC) im Dezember 2024 hat sich die Situation der Katholiken verschlechtert. Obwohl die HTC aus dschihadistischen Gruppierungen hervorgegangen ist, versuchte sie zunächst, ein Bild der Mäßigung zu vermitteln, insbesondere durch Treffen mit christlichen Führern in Aleppo und Homs, um ihnen ihre Stellung im „neuen Syrien“ zu versichern. 

Monsignore Jacques Mourad, syrisch-katholischer Erzbischof von Homs, berichtete, daß die neuen Machthaber behauptet hätten, daß die Christen „ein integraler Bestandteil der syrischen Bevölkerung“ seien, und ihm Schutz und Religionsfreiheit versprochen hätten. Doch der Prälat macht sich keine Illusionen mehr. Die westlichen Medien schweigen über die Angst und das Klima der Gewalt, das „eine Falle zu sein scheint, in die alle tappen, die hier an die Macht kommen“, so der Prälat. 

Die Masken fallen nach und nach, und der Erzbischof spricht die aktuelle Situation an. Beunruhigendes Verschwinden von Menschen, wieder sich füllende Gefängnisse, öffentliche Folterungen in Absprache mit dem Assad-Regime. Und auch „mehrere Fälle von jungen Christen, die bedroht und auf der Straße gefoltert werden, um Angst zu verbreiten und sie zu zwingen, ihrem Glauben abzuschwören und Muslime zu werden“, erklärt er gegenüber Fides

Vor diesem Hintergrund veröffentlichte der Präsident der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Union (COMECE) am 19. Februar 2025 eine Erklärung, um die westliche Öffentlichkeit, die das Drama der Christen in Syrien ignoriert, zu sensibilisieren: „Christen sind ein wesentlicher Teil der Geschichte und Kultur der Region“, erinnert Bischof Mariano Crociata. Er erklärt, daß ihr Verschwinden „ein tragischer Verlust nicht nur für Syrien, sondern auch für die Stabilität der Region und der Welt wäre.“ 

Der Präsident der COMECE wendet sich an die EU-Mitgliedstaaten, die Syrien beim Wiederaufbau helfen sollen. Ein Wiederaufbau, der nach Ansicht von Bischof Crociata die religiösen Minderheiten und insbesondere die Christen nicht außer Acht lassen darf. Der Prälat fordert Europa auf, sein ganzes Gewicht in die Waagschale zu werfen, um zur Schaffung eines „rechtlichen Rahmens beizutragen, der die Übergangsjustiz auf gerechte Weise anwendet.“ Dabei wird vergessen, daß die Scharia das einzige Gesetz ist, das der neue starke Mann in Damaskus anerkennt. 

Monsignore Crociata fordert Europa schließlich auf, zur Schaffung der „Bedingungen beizutragen, die eine freiwillige und sichere Rückkehr christlicher Flüchtlinge und ihrer Familien in ihre Heimat ermöglichen.“  Er versichert der Kirche der Unterstützung und weist auf die Bedrohung hin, die ein islamistisches Regime – das per Definition nichts Gemäßigtes hat, im Gegensatz zu dem, was man glauben machen möchte – gegen die christliche Präsenz darstellt. 

Eine nüchterne Feststellung und vernünftige Forderungen, die für europäische „Eliten“, die eher dazu neigen, lautstark zu protestieren, wenn der US-Vizepräsident sie vor den Folgen eines Totalitarismus mit Woke-Flair warnt, der den alten Kontinent überschwemmt. Hilfsangebote für Bevölkerungsgruppen dagegen, die von einem anderen Totalitarismus bedroht sind, nämlich dem islamischen, sind nur kaum zu hören. 

Der tragische Beweis durch die Fakten

Kurz vor der Veröffentlichung dieser Zeilen hat eine schreckliche Bestätigung der schlimmsten Befürchtungen hinsichtlich der Zukunft Syriens die Illusionen zerstört, die der neue starke Mann in Damaskus aufrechterhalten wollte. Laut Fabrice Balanche – einem französischen Geograph und Spezialisten für die politische Geographie und Geopolitik Syriens, des Libanon, des Irak und des gesamten Nahen Ostens – der von Le Figaro befragt wurde, sind die Alawiten von Latakia Opfer einer politischen und religiösen Vendetta, da die Sunniten sie als Feinde und Ketzer betrachten. 

Sie sind übrigens nicht die Einzigen, auch die Drusen sind betroffen. Balanche erklärt, daß „die Priorität von Ahmed al-Charaa darin besteht, die islamistischen Gruppierungen um den HTC zu vereinen, der im Januar offiziell aufgelöst wurde. Und dafür gibt es nichts Besseres als einen Krieg gegen die Alawiten, den ehemaligen Feind. Es ist ein Wunder, daß diese Massaker nicht im Dezember stattfanden, als sie die Macht übernahmen.“ 

Er fährt fort: „Dieses dschihadistische System konnte nur solche Ereignisse hervorbringen. Die Machthaber wollten den Tag der Rache so weit wie möglich hinauszögern, um die Aufhebung der Sanktionen zu erreichen, aber die Männer von al-Charaa konnten nicht länger warten. (...) Hier zeigt sich das wahre Gesicht der Macht. (…) Die Wiedervereinigung Syriens rückt immer weiter in weite Ferne.“ 

Was die Bilanz betrifft, so spricht Le Figaro von mittlerweile 530 Toten, während Le Monde von „mehr als 1.000 Tote, darunter eine Mehrheit alawitischer Zivilisten“ berichtet.