Neue Ermittlungen zum mysteriösen Verschwinden von Emmanuela Orlandi
Der vatikanische Staatsanwalt Alessandro Diddi hat nun beschlossen, die Ermittlungen im Fall der verschwundenen Emanuela Orlandi wieder aufzunehmen. In einer kurzen Erklärung erklärte der Leiter des Pressesaales des Heiligen Stuhls, dass die Entscheidung, die Ermittlungen wieder aufzunehmen, teilweise als Reaktion auf mehrere Anfragen von Emmanuela Orlandis Familie getroffen wurde.
Emanuela Orlandi, Tochter von Ercole Orlandi, Gesandter der Präfektur des Päpstlichen Hauses und Bürger des Staates Vatikanstadt, war zum Zeitpunkt ihres Verschwindens am 22. Juni 1983 fünfzehn Jahre alt. Der Fall galt seit fast drei Jahren als abgeschlossen.
Im April 2020 hatte ein vatikanischer Richter die Ermittlungen offiziell beendet, obwohl sie im Jahr zuvor erneut aufgenommen worden waren. Denn die Familie des Mädchens hatte einen Hinweis erhalten, dass sich die sterblichen Überreste des Mädchens möglicherweise auf einem vatikanischen Friedhof befänden. Die Untersuchungen führten letztlich zur Öffnung von zwei Gräbern auf dem Friedhof des Deutschen Kollegs, das sich auf vatikanischem Hoheitsgebiet befindet – doch die Gräber erwiesen sich als völlig leer. Dennoch wurden bei der Operation menschliche Knochen in einem bislang unbekannten Beinhaus in der Nähe entdeckt. Im Juli 2019 durchgeführte Untersuchungen dieser Knochenfragmente ergaben, dass diese zu alt waren, um zu dem vermissten Mädchen zu passen.
Die oben erwähnte Erklärung des Vatikans enthält keine weiteren Details zu den Gründen für die Wiedereröffnung. Das öffentliche Interesse an dem Fall wurde jedoch im letzten Herbst neu entfacht, nachdem die Dokumentation „Emmanuela Orlandi, The Vatican Disappeared“ beim Internet-Dienst Netflix erschienen war.
Die Dokumentarserie wurde im Oktober 2022 zum ersten Mal ausgestrahlt. In der Serie wurden zahlreiche Theorien über das Verschwinden von Emanuela Orlandi aufgestellt, von denen keine überzeugend verifiziert werden konnte:
So wiesen die Dokumentarfilmer darauf hin, dass Johannes Paul II. während des Angelusgebets die Verantwortlichen zwei Wochen nach dem Verschwinden des Mädchens aufgefordert hatte, sich zu melden. Kurz darauf erhielt die Familie Telefonanrufe von Personen, die versicherten, türkisch-nationalistischen Gruppen anzugehören, und behaupteten, sie hätten das Mädchen als Druckmittel für die Freilassung von Mehmet Ali Ağca, dem Angreifer von Johannes Paul II., entführt. Ağca selbst behauptete später mehrmals, zuletzt 2006, dass Orlandi sehr wohl am Leben sei, möglicherweise in einem Kloster. Dies wurde jedoch nie bestätigt.
Andere Hinweise wurden so gedeutet, dass die italienische Mafia in das Verschwinden von Emmanuela verwickelt gewesen sein könnte. In der letzten Episode stellte der Dokumentarfilm die Theorie auf, dass der Vatikan in irgendeiner Weise in das Verschwinden des Mädchens verwickelt war, und stützt sich dabei auf ein Interview mit einem Jugendfreund des vermissten Mädchens.
Lewis, der Regisseur des Dokumentarfilms, machte deutlich, dass er nicht behauptet habe, das Rätsel um Emmanuela Orlandis Verschwinden gelöst zu haben, er hoffe nur „um der Familie willen, dass diese letzten [Puzzle-]Teile gefunden werden“.
Es bleibt die Frage, ob die Öffentlichkeit eine Lösung des Falls erleben wird oder ob er, was sehr wahrscheinlich erscheint, erneut ergebnislos abgeschlossen werden muss?
(Quelle: CNA – FSSPX.Actualités)
Illustration: Netflix