Paukenschlag in der Ukraine: Kiew verbietet die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche

Quelle: FSSPX Aktuell

Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videokonferenz mit den Mitgliedern des Panukrainischen Rates der Kirchen und religiösen Organisationen.

Das Parlament in Kiew hat am Dienstag, den 20. August 2024, einen Gesetzesentwurf verabschiedet, um die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche (UOK) und die ihr angeschlossenen Organisationen zu verbieten. Die Website cath.ch berichtet, dass „Kiew und der Religiöse Informationsdienst der Ukraine (RISU), die UOK absichtlich als ‚russisch-orthodoxe Kirche‘, die größte Kirche des Landes, bezeichnet.“

In der Ukraine gibt es drei orthodoxe „Zweige“: die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche, die von Moskau abhängt, die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche unter Kiew und die autokephale Kirche. 

Zweifellos gibt es in dieser Abstimmung des ukrainischen Parlaments eine gewisse Unerbittlichkeit gegen alles, was an Russland erinnern könnte. Wie cath.ch ebenfalls berichtet, hatte die UOK, „die vor dem Krieg am 24. Februar 2022 mit dem Moskauer Patriarchat verbunden war, bereits im Mai die russische Aggression gegen die Ukraine verurteilt und alle Verbindungen zu Moskau abgebrochen“. Doch das war offenbar nicht genug. 

Die Abstimmung über das Verbot UOK fand am 20. August statt. 265 Abgeordnete stimmten „dafür“, nur 29 stimmten „dagegen“, vier stimmten ungültig und 24 gaben keine Stimme ab. „„Es wird keine Moskauer Kirche in der Ukraine geben“, sagte Andrij Jermak, Leiter der ukrainischen Präsidialverwaltung, auf Telegram“, berichtete die Schweizer Website. 

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj begrüßte die Abstimmung des Parlaments, aber „Russland verurteilte sofort einen Versuch Kiews, die ‚kanonische Orthodoxie zu zerstören‘“. Man darf nicht vergessen, dass die UOK an der Zahl der Gläubigen gemessen die größte Konfession in der Ukraine ist. Außerdem hat sie die meisten Religionsgemeinschaften, wie das Moskauer Patriarchat in Erinnerung rief. 

Der Panukrainische Rat der Kirchen und religiösen Organisationen 

Die Entscheidung des Parlaments wird jedoch Auswirkungen auf die gesamte Orthodoxie und darüber hinaus haben. Zunächst einmal haben laut der offiziellen Website der ukrainischen Präsidentschaft „die Mitglieder des Panukrainischen Rates der Kirchen und religiösen Organisationen (CPUEOR) ihre Unterstützung für den Schritt des Präsidenten zum Ausdruck gebracht, die geistige Unabhängigkeit und die Grundfreiheiten gegen den Missbrauch durch den Aggressorstaat zu verteidigen“. 

Das CPUEOR betont, „dass keine religiöse oder säkulare Organisation, deren Zentrum sich in einem Land befindet, das eine militärische Aggression gegen das ukrainische Volk begangen hat, in der Ukraine tätig sein kann. Aus diesem Grund unterstützt der Rat den auf Initiative des Präsidenten eingebrachten Gesetzentwurf der Regierung, der das Funktionieren solcher Organisationen in unserem Land unmöglich machen soll.“ 

Die Ratsmitglieder „erklärten schließlich, dass die größte Bedrohung für die Religionsfreiheit in der Ukraine die russische Aggression ist, die zum Tod von Geistlichen und zur Zerstörung von Hunderten von Kirchen und Gebetsstätten geführt hat“. 

In seiner Entscheidung beschuldigt das CPUEOR die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche, sich „zum Komplizen der blutigen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemacht zu haben, die von den russischen Invasoren begangen wurden“, zitiert cath.ch. Sie beschuldigt sie, „Massenvernichtungswaffen zu heiligen und die Zerstörung des ukrainischen Staates, der Kultur und der Identität zu befürworten.“ 

Eine illegitime Entscheidung nach Ansicht des Moskauer Patriarchats 

Die Website orthodoxie.com berichtet jedoch, dass Nikolaus Balaschow, Berater des Moskauer Patriarchen, gegenüber der Agentur Tass erklärte, dass „die Entscheidung des CPUEOR absolut illegitim“ sei, da „die Vertreter der UOK, die Mitglied des Rates ist, nicht an der Verabschiedung teilgenommen haben.“ Denn „gemäß der Geschäftsordnung (Artikel 11) werden alle Entscheidungen im Konsens, mit der Zustimmung der Oberhäupter oder autorisierten Vertreter aller religiösen Organisationen, die Mitglieder dieses Rates sind, getroffen“. Die Vertreter der UOK waren jedoch gar nicht erst zu dem Treffen eingeladen worden. 

Der CPUEOR ist ein sehr „ökumenischer“ Rat, dem 15 religiöse Zusammenschlüsse aus der Ukraine angehören: Die ukrainische Eparchie der Armenischen Apostolischen Kirche, die ukrainische griechisch-katholische Kirche, die ukrainische orthodoxe Kirche – diejenige, die abgeschafft wurde, die lateinisch-katholische Kirche, die ukrainisch-orthodoxe Kirche von Kiew, die evangelischen Baptistenkirchen, die ukrainische Pfingstkirche, Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten in der Ukraine, Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirche der Ukraine, Ukrainische Evangelische Kirche, Ukrainische Muslime, Union der jüdischen religiösen Organisationen der Ukraine, Bibel-Allianz, Ukrainische Pfingstkirche und das Institut für Religionsfreiheit. 

Der Ausschluss der UOK aus dem CPUEOR könnte die Beziehungen zwischen dem Vatikan und dem Moskauer Patriarchat ernstlich schwächen, denn die Unterstützung sowohl der griechisch-katholischen Kirche der Ukraine als auch der lateinisch-katholischen Hierarchie in diesem Land für die Unterdrückung der UOK wird als Verrat angesehen werden. Roms Stimme läuft Gefahr, im Kreml unhörbar zu werden. 

Die konstitutive Verbindung zwischen den orthodoxen Kirchen und dem Land, in dem sie sich befinden 

Angesichts der Krisensituation, die zweifellos seit langer Zeit eine der größten in der orthodoxen Welt ist, beschloss das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel, am 20. und 21. August eine Delegation zu entsenden, um die Situation mit den Protagonisten zu erörtern. 

Dieser Fall zeigt erneut die Unterwerfung und Abhängigkeit der orthodoxen Kirchen von der politischen Macht, eine Abhängigkeit, die sie seit dem Schisma von Michael Clerarus grundlegend charakterisiert.