In Polen spitzt sich der Machtkampf zwischen Kirche und Staat zu

Quelle: FSSPX Aktuell

Ein Klassenzimmer in Polen

Der Konflikt um den Religionsunterricht in den staatlichen Schulen und Gymnasien an der Weichsel ist wieder aufgeflammt, da sich die Tusk-Regierung weigert, einem Urteil des Obersten Gerichtshofs Folge zu leisten, das den willkürlichen Plan der Regierung, die Stunden des Katechismusunterrichts zu kürzen, aufhob.

„Im polnischen Bildungssystem wird der Religionsunterricht von katholischen Lehrern erteilt, die von der kirchlichen Autorität anerkannt sind“, erklärt Notes From Poland (NFP). Diese Unterrichtsstunden, die vom Staat und damit vom polnischen Steuerzahler finanziert werden, sind freiwillig, „aber die Mehrheit der Schüler nimmt daran teil, wobei dieser Trend allerdings abnimmt“, ergänzt NFP

Die bei den Wahlen im Dezember 2023 siegreiche sogenannte Bürgerkoalition (Koalicja Obywatelska, KO), eine progressive Partei unter der Führung von Donald Tusk, „will die Stundenzahl für die katholische Bildung halbieren“, so NFP weiter. Die KO hat auch beschlossen, „die im Katechismusunterricht erzielten Noten nicht mehr in die Gesamtbewertung der Schüler am Ende des Schuljahres einfließen zu lassen“. 

Der Staatschef Andrzej Duda - ein Mitglied der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) - lehnt diese Entscheidung ab. Er warnte, dass die drastische Reduzierung der Katechismusstunden darauf abziele, „uns einen wesentlichen Teil dessen zu nehmen, was uns zu Polen macht, und den wir nicht aufgeben können.“ 

Duda erinnerte während einer Pilgerreise nach Tschenstochau, über die die Nachrichtenseite NFP berichtete, daran, dass es „unter anderem [der Religion] zu verdanken ist, dass wir die dunkelsten Stunden unserer Geschichte ertragen konnten, und dass wir in ihr den nötigen Halt finden konnten“, zitiert NFP weiter. 

Die polnische Bischofskonferenz hat ihrerseits den Obersten Gerichtshof Polens angerufen, der gerade einen Beschluss erlassen hat, in dem die Regierung aufgefordert wird, ihr Vorhaben auszusetzen, um den Richtern Zeit zu geben, die Frage zu prüfen. Wie Die Tagespost am 3. September 2024 berichtet, weigert sich die Regierung Donald Tusk jedoch, sich dem Urteil des Obersten Gerichtshofs zu beugen, „weil sie die Legitimität mehrerer Richter, aus denen sich das Gericht zusammensetzt, nicht anerkennt.“ 

Diese Haltung wurde von Kardinal Kazimierz Nycz, Erzbischof von Warschau und eine der meistgehörten Stimmen in Polen, scharf kritisiert: „In jedem anderen Staat, der sich selbst respektiert und in dem man das normale Funktionieren der festgelegten Institutionen verfolgt, wäre die Angelegenheit sofort nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs erledigt gewesen, aber nicht bei uns in Polen“, beklagte sich der hohe Prälat laut NFP

Laut einer letzten offiziellen Volkszählung im Jahr 2021, auf die sich Notes From Poland beruft, identifizieren sich 71 Prozent der Polen als römisch-katholisch, gegenüber 88 Prozent ein Jahrzehnt zuvor. Die zweitgrößte religiöse Konfession, das orthodoxe Christentum, macht nur 0,4 Prozent der Bevölkerung aus. 

Die jüngste Verordnung über den Religionsunterricht, die ohne Absprache mit der Kirche erlassen wurde, wie es das Gesetz allerdings eigentlich vorschreibt, zeigt, dass der Begriff Rechtsstaatlichkeit für die von Donald Tusk geführte Regierung höchst variabel zu sein scheint.