Prozess gegen Kardinal Zen hat in Hongkong begonnen

Quelle: FSSPX Aktuell

Von links nach rechts: Hui Po-keung, Kardinal Zen, Denise Ho und Margaret Ng

Der Prozess gegen Kardinal Joseph Zen hat am 26. September 2022 mit Verspätung begonnen. Dem Kardinal und fünf weiteren Personen wird vorgeworfen, einen Spendenfond für Demonstranten, die für Rechtsstaatlichkeit einstehen, nicht ordnungsgemäß registriert zu haben.  

Der 90-jährige emeritierte Kardinal und Bischof von Hongkong war am 26. September vor dem Gericht in West Kowloon erschienen. Er war im Mai zusammen mit anderen Personen gemäß dem Gesetz über die nationale Sicherheit Hongkongs wegen „Kollaboration mit ausländischen Kräften“ festgenommen und später gegen Kaution freigelassen worden.

Bei den anderen Angeklagten handelt es sich um die Anwältin Margaret Ng, die Sängerin Denise Ho, den Kulturwissenschaftler Hui Po-keung, den Aktivisten Sze Ching-wee und den ehemaligen Gesetzgeber Cyd Ho. Sie wurden letztlich nur angeklagt, weil sie es versäumt hatten, zwischen 2019 und 2021 die Registrierung eines Unternehmens für humanitäre Hilfe zu beantragen. Sollte allein diese administrative Unregelmäßigkeit anerkannt werden, würde Kardinal Zen lediglich eine Geldstrafe von rund 1.300 Euro drohen.

Vorwurf der Verbindung zu US-Diensten und Korruption 

Die Justiz könnte jedoch noch weitere Vorwürfe vorbringen: Die Anklage erklärte, dass der 612 Humanitarian Relief Fund insgesamt 34,4 Millionen US-Dollar gesammelt und einen Teil des Geldes für „politische Aktivitäten und nicht-karitative Veranstaltungen“ verwendet habe, beispielsweise für Spenden an Protestgruppen verwendet habe, wie AFP berichtet.

Die Verteidigung argumentierte, dass dies nichts mit der Anklage zu tun habe, mit der festgestellt werden sollte, ob der humanitäre Fonds ordnungsgemäß registriert worden war. Die Anwälte der Angeklagten hatten zuvor erklärt, dass sie nach dem Grundgesetz von Hongkong - dem Rechtsrahmen, der geschaffen wurde, als Großbritannien Hongkong 1997 an China abtrat - das Recht hätten, sich zusammenzuschließen.

Tony Kwok, ein pro-pekinger Akademiker, der sich auf die Bekämpfung von Korruption spezialisiert hat, sieht das anders. In einem Artikel, der kurz nach der Verhaftung von Kardinal Zen in der Hongkonger Presse veröffentlicht wurde, zeigte er sich von der Schuld des hohen Prälaten überzeugt.

Der Jurist behauptet, dass gegen den Kardinal derzeit ermittelt wird, weil er rund 3,3 Millionen Euro von Jimmy Lai, einem katholischen Unternehmer, der 2021 wegen der Organisation illegaler Proteste gegen Peking verurteilt wurde, erhalten haben soll.

Nach seinen Angaben würde die Polizei versuchen herauszufinden, ob das Geld „für subversive Zwecke“ oder zur Bestechung des Kardinals verwendet wurde, und hätte die Anzeige noch nicht erstattet, weil sie durch den Fluchtversuch eines der Verdächtigen überrumpelt worden sei.

Im selben Artikel verdächtigt der Wissenschaftler aus Hongkong Kardinal Zen, für die Geheimdienste der USA - und damit gegen China - zu arbeiten. Er verweist auf die Tatsache, dass sich der Kardinal zweimal persönlich mit Präsident George W. Bush getroffen hat – „gegen den Willen des Vatikans“, wie er sagt - und fünfmal über den Pazifik gereist sei.

Sollten diese Anschuldigungen von der Hongkonger Justiz berücksichtigt werden, droht dem Kardinal eine lange Haftstrafe.

Antwort des Vatikans 

Der Vatikan hat sich zum Verfahren gegen Zen praktisch nicht geäußert, abgesehen von einer Erklärung nach seiner Festnahme im Mai, in der er seine Besorgnis zum Ausdruck brachte und erklärte, dass er „die Entwicklung der Situation mit äußerster Aufmerksamkeit verfolgt“.

Im Flugzeug auf dem Rückflug von Kasachstan zog Papst Franziskus es vor, nicht direkt auf eine Frage der Presse zur Situation des emeritierten Bischofs von Hongkong zu antworten. Er sagte lediglich, dass Kardinal Zen „ein älterer Mensch sei, der sagt, was er fühlt“.

Er forderte dazu auf, China nicht zu verurteilen und plädierte für einen geduldigen Dialog. Der Papst erneuerte auch seine Unterstützung für Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, der die volle Verantwortung für die Diplomatie mit Peking trägt und Kardinal Zen in der Vergangenheit stark kritisiert hatte.

Eine hochrangige Quelle in der vatikanischen Diplomatie bestätigte gegenüber La Croix, dass Kardinal Zen den Papst persönlich darum gebeten habe, nicht einzugreifen. Seit seiner Verhaftung hält sich der greise emeritierte Bischof von Hongkong bedeckt und kritisiert Peking nicht mehr öffentlich.

Vatikan-China-Abkommen im Visier 

Der Prozess gegen den Kardinal findet zu einem Zeitpunkt statt, an dem der Heilige Stuhl und Peking die Bedingungen für die Erneuerung eines Abkommens über die Ernennung von Bischöfen in China festlegen. Kardinal Pietro Parolin, sagte in einem Interview mit dem italienischen Fernsehen am 2. September, dass eine Delegation vatikanischer Diplomaten aus China zurückgekehrt sei und dass er davon ausgehe, dass das Abkommen im Herbst erneuert werde.

Kardinal Zen war seit der ersten Unterzeichnung des Abkommens des Vatikans mit China im Jahr 2018 einer der schärfsten Kritiker des Abkommens und bezeichnete es als „unglaublichen Verrat“.

Gerhard Kardinal Ludwig Müller äußerte sich enttäuscht darüber, dass das Kardinalskollegium anlässlich des Treffens von fast 200 Kardinälen im Vatikan im vergangenen Monat nicht seine „volle Solidarität mit Zen“ zum Ausdruck gebracht habe. Der emeritierte Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre sagte am 1. September gegenüber Il Messaggero: „Das Schweigen dieses Konsistoriums zum Fall von Kardinal Zen gibt mir Anlass zur Sorge.“

„Vielleicht sollte die Kirche freier und weniger an die Logik der Macht, an die weltliche Logik gebunden sein, folglich freier, um einzugreifen und, wenn nötig, diese Politiker zu kritisieren, die letztendlich die Menschenrechte abschaffen. In diesem Fall frage ich mich, warum man Peking nicht kritisiert“, so Kardinal Müller weiter. 

„Zen ist ein Symbol und er wurde unter einem Vorwand verhaftet, er hat nichts getan, er ist eine einflussreiche, mutige und von der Regierung sehr gefürchtete Figur“, fügte er hinzu. „Er ist über 80 Jahre alt und wir haben ihn einfach allein gelassen.“

Es fällt schwer, nicht zu denken, dass der mutige chinesische Kardinal auf dem Altar der vatikanischen Diplomatie geopfert wurde und dass Rom schweigt, um das chinesisch-vatikanische Abkommen erneuern zu können.