Theologische Unerbittlichkeit und Sturheit
Eine öffentliche Sitzung des Zweiten Vatikanischen Konzils
Dignitatis humanae heute zu verteidigen, entspricht der Pflege eines Leichnams.
Das Projekt eines Textes über Religionsfreiheit, das während des Zweiten Vatikanischen Konzils ins Leben gerufen wurde, hatte die ausdrücklichen Ziele, den ökumenischen Dialog zu erleichtern und die Freiheit der Kirche in den kommunistischen Ländern zu erreichen [1].
Die miserablen Ergebnisse des gesamten ökumenischen Theaters und die Situation der Kirche in den feindlichen Ländern zeigen, dass die Ermahnungen, die sich auf die Würde und das Recht der menschlichen Person stützten, in religiösen Angelegenheiten selbst zu bestimmen, nicht sehr überzeugend waren.
Zumindest in den angesprochenen Kreisen. Denn in den Ländern der alten Christenheit führte die Logik der Religionsfreiheit dazu, dass der Vatikan darauf drängte, die Erwähnung der katholischen Religion als Staatsreligion oder zumindest als Religion der Mehrheit der Bürger aus den Verfassungen zu streichen (Kolumbien 1973, Wallis 1974, Italien 1984).
Rom gibt damit nicht nur die historische Situation des mittelalterlichen Christentums auf, sondern auch die Idee, dass der Konfessionsstaat die wünschenswerte normale Struktur des Staates sein könnte. Diese Logik geht bis ins Detail: 2018 äußert der Erzbischof von München, Kardinal Marx, seine Missbilligung darüber, dass der bayerische Regierungschef die Präsenz von Kruzifixen in öffentlichen Gebäuden vorschreibt; bevor er angesichts der Kritik, die er damit ausgelöst hatte, vorsichtig zurückrudert.
Man wird sogar von Prälaten hören, dass, wenn die im Vatikan empfangenen muslimischen Migrantenfamilien ein mohammedanisches Gotteshaus verlangen würden, ihnen dieses im Namen des Prinzips der Religionsfreiheit gewährt werden müsse [2]…
Der Westen schämt sich bereits seiner christlichen Wurzeln, und es ist die Kirche, die ihm prinzipielle Gründe liefert, sein Licht unter den Scheffel zu stellen. Ist es da verwunderlich, dass der Islam, der für die großen Prinzipien des Personalismus nicht sehr durchlässig ist, den Platz einnimmt, der ihm angeboten wird?
In diesem Zusammenhang ist es erstaunlich, dass in traditionellen Kreisen Kleriker zu sehen sind, die sich hartnäckig für die Verteidigung der berühmten Erklärung Dignitatis humanæ [3] des Konzils zur Religionsfreiheit einsetzen. Ein Text, der wie alle Texte des Konzils keine Unfehlbarkeit beansprucht [4], ein Text, der von den genannten Klerikern als „schwach“, „zweideutig“ und „gefährlich“ [5] anerkannt wird.
Ein Text, der wie viele andere des nachkonziliaren Lehramts nicht ernsthaft den Gläubigen vorgelegt werden kann, damit sie darin eine sichere Lehre finden. Ein Text, auf den man besser nicht weiter eingehen sollte, da das Lehramt der Kirche aus ihm nicht gestärkt hervorgeht.
Dasselbe gilt für die sprachlichen Pirouetten, mit denen Lumen gentium, Gaudium et spes, Unitatis redintegratio und so weiter dem Vorwurf der Häresie auszuweichen versuchen. Bischof Schneider weist die Gläubigen in seinem Kompendium des katholischen Glaubens auf diese Missverständnisse hin. Sollte man ihm vorwerfen, dass er sich nicht bemüht, diese bösartigen Texte zu retten [6]? Die Denker und Schreiber der traditionellen Sphäre haben der Kirche bessere Dienste zu leisten.
Prälaten und Theologen würden ihr Amt (ihr heiliges Amt!) erfüllen, wenn sie mit einem unmissverständlichen Text über die Vorrechte der Person, wie sie im richtigen Sinne verstanden werden, die ganze Angelegenheit korrigieren würden. In der Zwischenzeit zeugt die Verteidigung von Dignitatis humanæ von so etwas wie therapeutischer Unerbittlichkeit.
Pater Nicolas Cadiet
Anmerkungen und Verweise:
[1] Vgl. Ralph WILTGEN, Der Rhein fließt in den Tiber, Lins-Verlag 1988
[2] Private Zeugenaussagen
[3] Siehe die Artikel von Pater de Blignières auf claves.org und seine Rezension des Buches Credo von Bischof Athanasius Schneider in Sedes sapientiae Nr. 169, Herbst 2024, S. 113-116
[4] Vgl. die Mitteilung des Generalsekretärs des Konzils vom 16. November 1964, die zusammen mit der vorherigen Erläuterung zur Konstitution Lumen gentium gemacht wurde. Ein römischer Prälat, der mit der Bruderschaft in Kontakt stand, sprach übrigens von Dignitatis humanæ als einem Gelegenheitsdokument, das an einen historischen Kontext gebunden und daher reformierbar sei und keine weitere Bedeutung habe! Absatz 9 der besagten Erklärung bemerkt übrigens, dass „die Offenbarung das Recht auf Immunität von äußerem Zwang im religiösen Bereich nicht ausdrücklich bekräftigt“, während sie versucht, es trotzdem darin zu finden.
[5] Zitiert von Pater Antoine-Marie de Araujo, FSVF, in „Lire un texte du magistère (brève réponse à une réponse de l'abbé Gleize)“, claves.org, 28. Juni 2024
[6] Wie Pater de Blignières in seiner oben zitierten Rezension
(Quelle: La Porte Latine – FSSPX.Actualités)
Illustration: Catholic Press Photo, Domaine public, via Wikimedia Commons