Ungewisse Zukunft jahrtausendealter Kulturdenkmäler in Antiochia

Quelle: FSSPX Aktuell

Die verwüstete Stadt Antakya

Nach dem verheerenden Erdbeben in der Südtürkei und Nordsyrien hat der Wiederaufbau höchste Priorität. Einerseits um den Flüchtlingen wieder ein Dach über dem Kopf zu geben, andererseits auch um teilweise mehrere tausend Jahre alten Gebäude und Monumente zu retten.

Antiochia liegt in der Türkei an der Grenze zu Syrien. Es ist eine sehr alte Ortschaft, wie der 82-jährige Priester Vahit Baklaci erklärt: „Antakya [der heute übliche Name von Antiochia] existiert seit Tausenden von Jahren. Hier sind zwei zerstörte Moscheen, die aus der Frühzeit des Islam stammen. Und hier zwei 2000 Jahre alte Kirchen, die aus der Zeit Jesu stammen – ebenfalls zerstört.“ 

Vor dem Erdbeben hatte das türkische Kulturministerium 719 Gebäude in der Region unter Denkmalschutz gestellt. Als die maschinell gestützte Leichensuche begann und die Trümmer weggeräumt wurden, sollten angebrachte Hinweise die Kulturgüter schützen: „Nicht ohne Genehmigung anfassen!“ 

Eine Vertreterin des Ministeriums überwacht die Einhaltung der Anweisung: „Wenn etwas zu stark beschädigt ist, können wir nichts tun, aber wenn es möglich ist, bauen wir Stein für Stein ab“, erklärte sie, ohne namentlich genannt zu werden. Sechs Teams des Ministeriums patrouillieren in der Altstadt. „Am Anfang waren es etwa 50“, berichtet sie. 

Dachziegel aus Marseille 

Wenn möglich, werden die geretteten Steine an einem speziellen Ort im Norden von Antakya gelagert, sortiert, klassifiziert und nummeriert, um die Gebäude später restaurieren zu können. Eine solche Restaurierung inmitten eines Ruinenfeldes zu planen, ist jedoch ein Wagnis.  

Gokhan Ergin, ein Architekt, der viele Häuser in der Stadt restauriert hat, hebt desillusioniert einen der orangefarbenen Dachziegel auf, die auf dem Boden liegen. Sie wurden in Marseille in Südfrankreich hergestellt und von den Osmanen und später von den Franzosen Anfang des 20. Jahrhunderts in großen Mengen importiert.  

„Wir befinden uns hier an den ersten Wohnorten der Stadt. Diese schönen Häuser beherbergten charmante Hotels und Restaurants“, sagt er, der die innere Schönheit dieser Gebäude kennt und beklagt: „Wenn man ein Kunstwerk findet, inventarisiert man es, um es in einem Museum zu schützen: Diese Gebäude haben die gleiche Bedeutung. Es ist nicht nur Erde und Stein.“ Er weist darauf hin, dass die ältesten Gebäude die Erschütterungen des Jahres 2009 viel besser überstanden haben: „Weil die Holzbohlen und das Holz, das zwischen den Lehmziegelstrukturen eingefügt wurde, wegen ihrer Elastizität den Schock abfangen konnten“, erklärt er. „Die alten Gebäude, die beschädigt wurden, fielen oft dem Einsturz ihrer schlecht restaurierten Nachbarn zum Opfer“, versichert er. Die von ihm betreuten Gebäude, so zeigt er, haben noch fast unbeschädigte Fenster und Verglasungen. 

Fassadenrestaurierungen, die nicht gehalten haben 

Ein Team der Technischen Universität Istanbul arbeitet in der Kurtulus Avenue, der Hauptstraße von Antakya, wo sich die Synagoge und die älteste Moschee der Region befinden, die auf einem heidnischen Tempel errichtet wurde, der wiederum in frühchristlicher Zeit in eine Kirche umgewandelt wurde. Nach Ansicht von Umut Almaç von der Restaurierungsabteilung hätten es mindestens achthundert weitere Gebäude verdient, geschützt zu werden. 

Vor einem ehemaligen Luxushotel mit eingestürzten Blocksteinmauern ärgert sich der Experte über die einfachen Restaurierungen, die vor zehn oder 20 Jahren durchgeführt wurden, um Touristen anzulocken. „Man hat sich auf die Fassade konzentriert, ohne die inneren Strukturen des Gebäudes zu respektieren“. Am 6. Februar stürzten Zehntausende von Gebäuden in der Südtürkei innerhalb von Sekunden in sich zusammen. Umut Almaç wünscht sich, dass der Wiederaufbau schneller voranschreitet, auch wenn einige die Gewalt der Räummaschinen und Bagger in der Altstadt anprangern. „Aber ich glaube nicht, dass man die Steinblöcke anders bewegen kann“, sagt der Wissenschaftler.