Vatikan formuliert Compliance-Regeln für eine katholische Finanzwirtschaft

Quelle: FSSPX Aktuell

Die Päpstliche Akademie für Sozialwissenschaften, deren Kanzler der ghanaische Kardinal Peter Kodwo Appiah Turkson ist, hat am 25. November 2022 das Dokument Mensuram Bonam (Das rechte Maß) veröffentlicht. Der Titel bezieht sich auf das Lukasevangelium, in dem es heißt: „Gebt, so wird euch gegeben: Ein gutes Maß wird in euren Schoß gegossen werden, fest, rüttelnd und überfließend; denn mit dem Maß, mit dem ihr gemessen habt, wird man euch messen“ (Lk 6,38). 

Die 50-seitige Broschüre, die in mehreren Sprachen erschienen ist, soll „mit dem Glauben übereinstimmende Maßnahmen für katholische Investoren“ aufzeigen. Der Vatikan erläutert zum ersten Mal eine Reihe von Kriterien, die Investoren auf den Finanzmärkten berücksichtigen sollten, berichtet die Zeitung La Croix. 

Das Dokument weist auf 24 Kategorien von Investitionen hin, die Misstrauen wecken oder sogar als verboten gelten sollten. Dazu gehören die ökonomische Förderung von Abtreibung, Waffen, Todesstrafe, Empfängnisverhütung oder Pornografie. 

Die Akademie der Sozialwissenschaften rät auch von Investitionen in „Gentechnik“ (einschließlich des GVO-Sektors(= Gentechnisch veränderte Organismen)), „entmenschlichende Videospiele und Spiele“, „Tierversuche“ oder Wirtschaftssektoren, die die „Verletzung der Rechte indigener Völker“ fördern, ab. 

Mensuram Bonam ist das Ergebnis einer Arbeit, die 2016 begonnen wurde. Rund 15 Wirtschafts- und Finanzwissenschaftler, darunter drei Franzosen, haben direkt an der Ausarbeitung mitgearbeitet, und rund 60 weitere wurden konsultiert. 

Die drei französischen Mitarbeiter sind Jean-Baptiste de Franssu, Vorsitzender des Verwaltungsrats des Instituts für die Werke der Religion (IOR); Pierre de Lauzun, Polytechniker und „Enarch“ (d.h. Absolvent der ENA), Autor von Büchern über die Soziallehre der Kirche; und Antoine de Salins, ebenfalls „Enarch“ und Schatzmeister der Fondation Notre Dame. 

Der Text, der 2020 veröffentlicht werden sollte, war von einigen im Vatikan als zu liberal angesehen worden, was zu einer Überarbeitung des Entwurfs führte. Das veröffentlichte Dokument ist strenggenommen nicht Teil des Lehramts der katholischen Kirche, aber es scheint, als ob es ein zukünftiges Dokument zu diesem Thema vorwegnimmt, das von Papst Franziskus unterzeichnet werden soll. 

Die finanziellen Volumina sind jedenfalls beträchtlich, stellt La Croix fest, und übersteigt bei weitem die von den Religionsgemeinschaften getätigten Geldanlagen. Einige Studien schätzen, dass weltweit mehr als 2.000 Milliarden „christliche Gelder“ von christlichen Institutionen, aber auch von Gläubigen investiert werden. 

Am 28. November berichtete der Catholic News Service (CNS), dass das Institut für die Werke der Religion (IOR), allgemein bekannt als Vatikanbank, eine „interne Politik für kohärente Investitionen im Glauben“ hat, und folgte damit einer Powerpoint-Präsentation, die Jean-Baptiste de Franssu Anfang des Jahres an den Catholic News Service schickte. 

Interessant, denn eine kohärente Investition in den Glauben „führt in Bezug auf die moralische Verantwortung viel weiter“, weil sie auf der katholischen Soziallehre mit ihrer „Vision der menschlichen Person, ihrer ganzheitlichen Entwicklung und ihrer Berufung in der Beziehung zu Gott, zu anderen Menschen und zur Schöpfung“ basiert, erklärt Mensuram Bonam, und: „Der Glaube kann nicht eine private Realität, eine Reihe privater und persönlicher Überzeugungen oder eine private Doktrin und ein privater Kult sein. Der Glaube ist unvollständig ohne eine Vision der Welt und unseres Platzes in ihr, nämlich unserer Werke.“