Weder Schismatiker noch Exkommunizierte (8)

Quelle: FSSPX Aktuell

Wir veröffentlichen hier einen Artikel aus dem Jahr 1988 wieder, der inzwischen schwer zu finden ist und eine neue Präsentation verdient. Der Text greift die Feststellung der Krise der Kirche und ihrer Schwere auf, die die Gläubigen vor die Wahl stellt, zwischen ihrem Glauben und dem Gehorsam gegenüber den neuen kirchlichen Orientierungen zu wählen.

Macht und Pflicht des Papsttums

Die bischöfliche Mission und die bischöflichen Befugnisse sind, da sie zur Errichtung der einen Kirche Christi ordiniert sind, in ihrer Ausübung aufgrund des Primats zweifellos dem Nachfolger Petri unterstellt.

Der Papst hat jedoch nur die göttliche Autorität erhalten, um die Mission und die (bischöflichen) Befugnisse zu disziplinieren, und zwar einzig und allein, um der Kirche eine Einheit der Regierung zu sichern, damit sie ihren spezifischen Zweck, das ewige Heil der Seelen, verfolgen kann. (1)

Er hat sie nicht erhalten, um das Episkopat nach seinen eigenen „persönlichen“ Ansichten auszurichten, und noch weniger, um es in eine Richtung zu lenken, die der widerspricht, die Christus selbst ihm gegeben hat und die er den Mitgliedern der Hierarchie weiterhin gibt, wenn er auf keinen Widerstand stößt, gemäß seiner formellen Verheißung: „Siehe, ich bin bei euch bis zum Ende der Welt.“ (2) 

So beabsichtigte Unser Herr Jesus Christus mit der Einsetzung des Primats keineswegs, seine Kirche der Willkür des Petrus und seiner Nachfolger zu überlassen. Die Kirche ist nicht polyzephal, wie es die Befürworter des bischöflichen „Kollegialismus“ gerne hätten; sie ist auch nicht bikophal, wie wir bereits erwähnt haben.

Wenn es stimmt, dass das Episkopat durch den Primat begrenzt ist, so ist dieser wiederum „durch das göttliche Recht begrenzt “, das „verlangt, dass die kirchliche Macht entsprechend ihrer Bestimmung zur Erbauung und nicht zur Zerstörung des mystischen Leibes Christi verwendet wird.“ (3)

Daraus folgt, dass der Papst bei der Abgrenzung der Jurisdiktionsgewalt der Bischöfe und auch bei der Regelung der Ausübung ihrer Ordnungsgewalt verpflichtet ist, im Einklang mit den Anforderungen der Ehre Gottes, dem Wohl der Kirche und dem ewigen Heil der Seelen zu handeln.

Dies sind mehr als elementare Begriffe; dennoch sind sie heute mehr denn je in den Köpfen der Mitglieder der Hierarchie selbst vernebelt.

Die Wahl der Bischöfe

Es ist eine Tatsache, dass „in der Frühzeit der Kirche und im frühen Mittelalter die Wahl des Bischofs durch den Klerus und das Volk oder die Ernennung durch Fürsten nicht immer und überall der Zustimmung des Papstes bedurfte.

„Dass es in diesen Fällen eine Bestätigung oder stillschweigende Kollationierung der bischöflichen Macht durch den Papst gegeben hat, scheint unbeweisbar und unwahrscheinlich.“ (4) Daher unterscheiden Theologen zwischen der Autorität des Papstes in Bezug auf die Materie und der Ausübung dieser Autorität. (5)

Tatsächlich hat sich die Ausübung der päpstlichen Autorität über die Ordnungsgewalt der Bischöfe im Laufe der Jahrhunderte je nach den Bedürfnissen der Kirche und den Anforderungen der Seelenrettung verändert. Diese Intervention war in den ersten Jahrhunderten nicht vorhanden, als die Notwendigkeiten des Evangeliums verlangten, dass die bischöflichen Befugnisse ohne Einschränkung ausgeübt werden.

So sieht man die Apostel und ihre unmittelbaren Jünger andere Bischöfe auf den Bischofssitzen wählen, ordinieren und einsetzen. (6) Dann begannen die Päpste nach und nach und immer mehr bis zum 14. Jahrhundert, sich die Wahl der Bischöfe als „causa maior“, also von besonderer Bedeutung für die Kirche, vorzubehalten, um unzulässige Einmischung der zivilen Macht zu verhindern. (7)

Die heutige Disziplin, die die Exkommunikation des Bischofs vorsieht, der die Weihe ohne päpstlichen Auftrag vorgenommen hat, wurde von Pius XII. eingeführt, als er sich der Bedrohung einer schismatischen Kirche in China stellen musste.

In der Kirchengeschichte gibt es auch viele Fälle von Bischöfen, die in außergewöhnlichen Situationen, in denen sich teilweise die Anforderungen der ersten Jahrhunderte wiederfanden und sich folglich die Notwendigkeit ergab, die bischöflichen Befugnisse in ihrer ganzen Fülle auszuüben, Bischöfe weihten, ohne sich an die damaligen Disziplinarvorschriften zu halten.

Sie taten dies kraft des „Gesetzes der Stellvertretung“, das in der Kirche, wie in jedem Organismus, besteht, wenn die Funktionsfähigkeit notwendiger oder unentbehrlicher Organe beeinträchtigt wird. So bereiste der Heilige Eusebius von Samosata im vierten Jahrhundert die vom Arianismus verwüsteten orientalischen Kirchen und weihte und ernannte dort katholische Bischöfe, ohne über irgendeine besondere Gerichtsbarkeit zu verfügen. (8)

In solchen Situationen konnte man vernünftigerweise von der Zustimmung der Oberen Autorität ausgehen, die nur das Wohl der Kirche und das Heil der Seelen wollte. Und die materielle Verletzung der damals geltenden Disziplinarregelung wurde durch den „Notstand“, der ein entsprechendes „Notrecht“ begründet, gerechtfertigt.

Anmerkungen: 

1 Dz. 1821

2 Matth, 28, 20

3 2 Kor. 10, 8; vgl. Ludwig Ott, Grundriss der Dogmatik, Herder Verlag, Freiburg, Deutschland

4 Ludwig Ott, op. cit.

5 Kardinal Journet, op. cit., t. 1, S. 528, n. 1

6 Tit. 1, 5; 1 Tim. ; Apg. 14, 22

7 Raoul Naz und verschiedene Autoren, Traité de droit canonique, Hrsg. Letouzey und Ané, Paris; Dictionnaire de Théologie catholique, unter Election des Evêques, Bd. VIII, Sp. 2256 ff.

8 Theodoret von Cyr, Hist. eccl., 1, IV, c. 12; Dom A. Gréa: L'Eglise et sa divine constitution, 1, II, Kap. XI, Action du collège épiscopal