Welle der Gewalt gegen nigerianische Christen

Msgr. Wilfred Anagbe
Drei Monate nach den umstrittenen Parlamentswahlen trat Bola Ahmed Tinubu am 29. Mai 2023 offiziell die Nachfolge von Mohammed Buhari als Präsident von Nigeria, dem bevölkerungsreichsten Land Afrikas, an. Eine NGO argumentiert, dass es einen Zusammenhang zwischen der Zunahme antichristlicher Übergriffe und dem Abgang eines Staatschefs gibt, der häufig der Nachgiebigkeit gegenüber den Dschihadisten beschuldigt wird.
Die nigerianische Tageszeitung Vanguard, die als kritisch gegenüber der herrschenden islamischen Macht gilt, zieht folgende Bilanz des scheidenden Präsidenten: „Unter Mohammed Buhari hat die Armee Zivilisten aus religiösen, ethnischen und politischen Gründen massakriert. Die Medien wurden eingeschüchtert und mundtot gemacht. Das Justizsystem wurde schikaniert, während die Nationalversammlung im Schatten der Macht stand.“
Ähnliches behauptet einer der Leiter von Intersociety for Civil Liberties & Rule of Law, einer im Osten Nigerias ansässigen NGO. 700 Christen seien als „Abschiedsgeschenk“ für das ehemalige Staatsoberhaupt massakriert worden: „Um das Ende der Amtszeit des radikal-islamischen Führers zu markieren, haben dem Dschihad angeschlossene Fulani-Hirten im Mai 700 wehrlose Christen massakriert.“
Intersociety fügt hinzu, dass die Dschihadisten innerhalb von zwei Monaten zwischen dem 12. April und dem 12. Juni, während des politischen Übergangs vom gewählten Präsidenten zu seinem Vorgänger, rund 100 christliche Gebetsstätten dem Erdboden gleichgemacht haben. Die Morning Star News untermauert die Behauptungen der NGO, indem sie Zeugenaussagen von Christen und einem protestantischen Pastor zitiert, die die Fulani-Hirten beschuldigen. Die Fulani sind ein mehrheitlich muslimisches Nomadenvolk und gehören der Volksgruppe der Fulbe an. Mohammed Buhari hat viele Mitglieder dieser Volksgruppe in Schlüsselpositionen in der Armee und bei der Polizei eingesetzt.
Zwar sind Spannungen zwischen Fulani-Nomaden auf der einen Seite und sesshaften Christen oder Muslimen auf der anderen Seite in Nigeria endemisch, vor allem wegen der Aneignung von Land, doch hat der Konflikt in den letzten Jahren durch die Propagandaaktionen bestimmter Gruppen, die der Organisation Islamischer Staat (IS) angehören, zunehmend eine religiösere Wendung genommen.
So leiden Christen besonders heftig, denn unter Präsident Buhari sollen laut Intersociety in den letzten acht Jahren 31.350 Christen von Fulani-Hirten massakriert worden sein, aber tausende Muslime.
Leider bewegt die ethnische und religiöse Säuberung, die die Christen in Nigeria mit voller Wucht trifft, die westlichen Medien nicht, eine Berichterstattung findet selten bis gar nicht statt.
Wilfred Anagbe, Bischof der Diözese Makurdi im Bundesstaat Benue im Südosten Nigerias, der Catholic News Agency (CNA) kürzlich ein Interview über die Verfolgung von Katholiken in seinem Land gab, zieht eine erschreckende Bilanz: „Es ist zu einem täglichen Ereignis geworden.“ Bischof Anagbe, berichtet den Tränen nahe von der Diözese Makurdi, die zu den am stärksten von dieser Gewalt betroffenen Gebieten gehört. Am diesjährigen Karfreitag wurden bei einem Angriff auf das Dorf Ngban 43 Menschen getötet und mehr als 30 verletzt: „Sie kamen und haben sie alle niedergemetzelt. Es gab keine Verhaftungen. Die Regierung ist nicht bereit, solche Maßnahmen zu ergreifen. Wir können nichts tun“, gesteht der Bischof.
Nigerianische Kirche im Belagerungszustand
Anagbe sagt, dass er seit seiner Amtszeit als Bischof die „vollständige Umsetzung der islamischen Agenda“ erlebt hat. Obwohl die Regierung behauptete, dass sich die Lage verbessert habe, haben radikale Fulani-Hirten und die Westafrikanische Provinz des Islamischen Staates (ISWAP), ein Ableger von ISIS, ihre Angriffe auf Christen nur noch verstärkt.
Da die Fulani-Stämme zunehmend in christliche Gebiete eindringen, sind selbst mehrheitlich christliche Regionen nicht mehr sicher. Laut Bischof Anagbe leben im Bundesstaat Benue etwa sechs Millionen Menschen, die „zu 99 Prozent Christen sind. Kein einziger Fulani stammt aus dem Staat Benue: Sie kommen als Eindringlinge oder Aggressoren.“
Seit Anfang 2022 wurden im Bundesstaat Benue 140 Angriffe auf Christen verübt, bei denen nach Angaben des Prälaten mindestens 591 Gläubige getötet wurden. Aufgrund dieser Angriffe wurden in diesem Bundesstaat mehr als 1,5 Millionen Christen aus ihren Häusern und Dörfern vertrieben. Aufgrund der Gewalt und der ständigen Angriffe befindet sich der Bundesstaat Benue in einer zunehmend verzweifelten Lage. Laut Bischof Anagbe werden regelmäßig Häuser, Schulen und ganze Dörfer zerstört.
„Für mich war das eine sehr traumatische Erfahrung, und das ist etwas, was ich niemandem wünsche“, sagte der Bischof. „Innerhalb von drei Jahren habe ich 18 Priester verloren, von denen einige entführt und dann wieder freigelassen wurden und andere während der Übergriffe starben. Ich habe etwa 13 Pfarreien verloren. Es ist schwierig. Der Eifer des Apostolats treibt einen dazu, die Mission zu predigen, aber man kann nicht vor Ort sein. Die Menschen gehen weg und wissen nicht, wohin sie gehen sollen. Sie leben wie Flüchtlinge, aber in diesem Fall sind sie Flüchtlinge in ihrem eigenen Land, in ihrem eigenen Staat“, fügte der Bischof hinzu und stellt fest: „Sie können nicht in ihre Heimat zurückkehren und niemand kommt, um ihnen zu helfen.“
Das Blut der Märtyrer
Trotz der eskalierenden Verfolgung ist Nigeria bei weitem das Land mit dem höchsten Messbesuch der Welt. Vierundneunzig Prozent der nigerianischen Katholiken geben an, mindestens einmal pro Woche die Messe zu besuchen, so eine Studie des Center for Applied Research in the Apostolate (CARA).
Bischof Angabe: „Die Kirchenväter haben gesagt, dass das Blut der Märtyrer der Same von Christen ist. In Zeiten der Krise wendet man sich an Gott, wenn die Menschen versagt haben. Wir müssen unseren Glauben am Leben erhalten. Verfolgung ist ein integraler Bestandteil des Lebens eines Katholiken. Aber das hält den Glauben der Menschen nicht auf. Wir beten ständig weiter. Gott wird unsere Gebete sicherlich erhören. Deshalb ist die Messe so wichtig und deshalb beten wir. Wir müssen inmitten dieser Verfolgung auf Gott vertrauen.“
(Quellen: Morning Star News/Crux/Vanguard/CNA – FSSPX.Actualités)
Illustration: © Aide à l’Eglise en Détresse