Widersprüche und Inkonsequenzen von Kardinal Fernández

Kardinal Victor Fernández während seiner Videokonferenz in Köln
Der Argentinier Kardinal Victor Manuel Fernández ist seit dem 1. Juli 2023 Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre (DDF). Er wurde von seinem langjährigen Freund Papst Franziskus ernannt. Seine Amtseinsetzung wurde von zahlreichen Protesten aus informierten konservativen Kreisen, die ihn der theologischen Inkompetenz beschuldigten, begleitet.
Der neue Präfekt des DDF hat seit seiner Ernennung für Aufsehen gesorgt, insbesondere durch die Erklärung Fiducia supplicans über den Segen gleichgeschlechtlicher Paare, die neuen Regeln für private Erscheinungen oder den Text Dignitas infinita über die Menschenwürde, der am 25. März 2024 veröffentlicht wurde.
Ein Kommentar zu diesem letzten Text von Kardinal Fernández, der am 17. Februar 2025 während einer Videokonferenz an der Theologischen Fakultät Köln vorgestellt wurde, wurde auf der Website des DDF unter dem Titel „Die ontologische Würde der Person in Dignitas infinita“ veröffentlicht. Dazu einige Klarstellungen.
Die „unendliche“ Menschenwürde
Der Kardinalkommentar befasst sich mit der Erklärung des Titels des Dokuments Dignitas infinita. Der Fokus liegt auf dem Begriff „unendlich“. Er wird zunächst damit begründet, dass der Mensch von Gott mit unendlicher Liebe geliebt wird, was „jedem Menschen eine unendliche Würde“ verleiht. Die zweite Begründung stellt fest, dass diese Würde „unveräußerlich“ ist und unter keinen Umständen verloren gehen oder gemindert werden kann.
Der Kommentar fügt hinzu, dass die Würde der Lebensweise entsprechend noch moralisch sein kann – gemäß oder gegen die menschliche Natur. Dies sowohl sozial, was die Ressourcen betrifft, deren Unzulänglichkeit zu einem „unwürdigen“ Leben der menschlichen Bedingung führt, oder auch existenziell, was die Umstände betrifft – Krankheiten, Abhängigkeiten, Konflikte –, die das Leben sehr schwer und daher „unwürdig“ machen.
Ein schwerwiegender Fehler
Erstens: Die „unveräußerliche“ ontologische Würde wurde beim Zweiten Vatikanischen Konzil verwendet, um die Religionsfreiheit zu rechtfertigen. Dies ging jedoch nicht so weit, die Todesstrafe zu disqualifizieren, die im 1992 veröffentlichten Katechismus der Katholischen Kirche (KKK) (Nr. 2267) enthalten ist. Papst Franziskus seinerseits lehnte die Todesstrafe kategorisch ab und änderte den Katechismus der Katholischen Kirche 2018 entsprechend.
Es ist allerdings sehr überraschend, dass die Kirche bis zum damaligen Zeitpunkt die Todesstrafe unterstützt hat und nun feststellt, dass „die Todesstrafe unzulässig ist, weil sie die Unverletzlichkeit und Würde der Person verletzt.“ Hat also die Kirche bis zur Ankunft von Papst Franziskus eine abweichende Lehre über die Todesstrafe und die Menschenwürde vertreten? Das ist eigentlich unmöglich oder es liegt entweder seit 20 Jahrhunderten oder seit 2018 ein Irrtum vor.
Zweitens: Welcher der beiden ist schrecklicher, der „erste Tod“, der Tod in dieser Welt? Oder der „zweite Tod“ gemäß der Apokalypse, also die Hölle? Die ontologische aufgefasste Menschenwürde würde es also verbieten, ein Todesurteil zu verhängen. Doch wie sollte sie es dann nicht demjenigen verbieten, der sie geschaffen hat und auf ihr gründet, sein vernunftbegabtes Geschöpf zum zweiten Tod zu verurteilen?
Um aus diesem Dilemma herauszukommen, gibt es nur zwei Lösungen: Entweder existiert die Hölle nicht oder zumindest wird niemand dorthin verdammt – es läge ein Irrtum in der Lehre vor. Auch wenn es wahr ist, dass die ontologische Würde unveräußerlich ist, ist sie nicht die letzte Referenz, um eine Person zu beurteilen. Sie ist radikal – an der Wurzel der Würde – oder auch grundlegend, aber sie ist nicht die letzte.
Es geht um die moralische Würde gegenüber der Gesellschaft: Nutzt der Mensch seine Natur, um nach Tugend und gerechten Gesetzen zu leben? Oder lebt er im Gegenteil in Laster und Verbrechen? Ebenso gegenüber Gott: Strebt der Mensch danach, ihn zu erreichen, oder verachtet er seinen Schöpfer und Erlöser?
Deshalb kann ein Mensch von einem menschlichen Richter, der die Gesellschaft verteidigen soll, sogar zur Todesstrafe verurteilt werden – wie es die Tradition der Kirche lehrt. Und Unser Herr hat vorausgesagt, dass er den Gerechten – das Wort ist hervorzuheben – sagen wird, sie sollen in das Reich seines Vaters kommen, um den Lohn zu empfangen, und dass er die Bösen zum ewigen Feuer verdammen wird ... mit ihrer unveräußerlichen Würde.
Eine weitere schwerwiegende Abweichung
Der Präfekt des DDF untersucht eine Konsequenz: die Ablehnung der Gender-Ideologie und der Geschlechtsumwandlung. Denn „die Geschlechtsumwandlung ist (...) der Anspruch auf eine Identitätsänderung. (...) Die menschliche Freiheit, die durch die Technologie allmächtig gemacht wurde, kann nach Belieben eine alternative Realität schaffen“, erklärt er. Diese Aussage ist Bestandteil von Dignitas infinita.
Aber Kardinal Fernández fügt hinzu: „Wir wollen nicht sagen, dass wir das tiefe Leiden, das in einigen Fällen von ‚Dysphorie‘ [Störung des emotionalen Erlebens (Affektivität), Anm.d.Red.] besteht, nicht verstehen. (...) Wenn das Dokument [Dignitas infinita] den Ausdruck ‚in der Regel‘ verwendet, schließt es nicht aus, dass es außergewöhnliche Fälle gibt, wie zum Beispiel starke Dysphorien, die zu einer unerträglichen Existenz oder sogar zum Selbstmord führen können. Diese Ausnahmesituationen müssen sehr sorgfältig bewertet werden.“
La Nuova Bussola Quotidiana war die erste Zeitung, die auf diese Fehlentwicklung hingewiesen hat. Um ihre Tragweite zu ermessen, muss man die Passage aus Dignitas infinita wieder aufgreifen, in der der Ausdruck „in der Regel“ zitiert wird. Hier ist sie:
„Jeder Eingriff zur Geschlechtsumwandlung kann in der Regel die einzigartige Würde bedrohen, die eine Person vom Moment der Empfängnis an erhalten hat. Dies schließt nicht aus, dass eine Person mit Genitalanomalien, die bereits bei der Geburt offensichtlich sind oder sich später entwickeln, sich für medizinische Hilfe entscheidet, um diese Anomalien zu beheben. In diesem Fall würde die Operation keine Geschlechtsumwandlung im hier gemeinten Sinne darstellen.“ (Nr. 60).
Der Grund dafür ist, dass es sich um Eingriffe handelt, um das biologische Geschlecht mit den genitalen Gegebenheiten in Einklang zu bringen, die bei bestimmten, glücklicherweise seltenen Erkrankungen voneinander abweichen können. Es ist daher klar, dass „in der Regel“ ein Fall vorliegt, der keine freiwillige Geschlechtsumwandlung darstellt, sondern der Wiederherstellungschirurgie zuzuordnen ist. Der neue Text erweitert diesen Fall jedoch auf eine psychologische oder sogar psychiatrische Störung, die Geschlechtsdysphorie.
Wenn man diese „Ausnahme“ akzeptiert, wenn sie „zu einer unerträglichen Existenz oder sogar zum Selbstmord führen kann“, gibt es keine Moral mehr. Was soll man einer Person sagen, die an einer sehr schmerzhaften Krankheit mit Selbstmordgedanken leidet und Sterbehilfe verlangt? Oder einer schwangeren Frau, die sich in einer unerträglichen Situation sieht und bereit wäre, ihrem Leben ein Ende zu setzen, wenn sie nicht abtreiben kann?
Könnte Kardinal Victor Manuel Fernández ruhig behaupten, dass „diese Ausnahmesituationen sehr sorgfältig geprüft werden müssen“? In allen drei Fällen ist die zu ergreifende Maßnahme „an sich schlecht“ und kann niemals direkt ohne schweres Fehlverhalten durchgeführt werden. Der Kardinalpräfekt des DDF führt so eine „Ausnahme“ ein, die die gesamte Moral zerstört.
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(Quellen: Saint-Siège/InfoCatolica/La Nuova Bussola Quotidiana – FSSPX.Actualités)
Illustration: © Vatican News