Krieg in der Ukraine: Kontroverse nach Worten des Papstes

Quelle: FSSPX Aktuell

Papst Franziskus während der Videoschalte mit den Teilnehmern des 10. Nationalen Treffens junger Katholiken in Sankt Petersburg

Als sich Papst Franziskus während einer Videokonferenz mit den Teilnehmern des X. Nationalen Treffens der katholischen Jugend in St. Petersburg auf die Zaren Peter den Großen und Katharina II. und das „Erbe von Mütterchen Russland“ bezog, zog er sich den Zorn der ukrainischen Regierung zu.  Damit schuf er auch eine diplomatisch heikle Lage, auf die der Heilige Stuhl angesichts der wochenlangen Vermittlungsbemühungen zwischen den Parteien des Krieges gut hätte verzichten können.

Ex abundantia cordis os loquitur [„Aus dem Überfluss des Herzens redet der Mund] ... Es ist bekannt, dass Papst Franziskus nach diesem Sprichwort aus Matthäus (12,35) während seiner Reden handelt, die inhaltlich oft weit entfernt von den sorgfältig vorbereiteten und vom Staatssekretariat gegengelesenen Redeentwürfen sind. 

Vor einigen Wochen überraschte der argentinische Pontifex die beim Weltjugendtag akkreditierten Journalisten mit einer improvisierten Rede, die nichts mit dem Text zu tun hatte, den ihnen die Beamten der römischen Kurie einige Stunden zuvor zugesandt hatten. Die Redefreiheit birgt jedoch gewisse Risiken, wie der Heilige Vater am eigenen Leib erfahren musste. Der letzte Vorfall ereignete sich am 25. August 2023: In einer Rede vor jungen russischen Katholiken, die sich in Sankt Petersburg (Russland) versammelt hatten, forderte der Nachfolger Petri sie auf, das Erbe Peters des Großen und Katharina II. nicht zu vergessen, die er als Herrscher eines „großen Reiches, reich an Kultur und mit einem großen Geist der Menschlichkeit“ bezeichnete. (...) Sie sind die Erben von Mütterchen Russland.“ 

Diese Kommentare waren nicht in der offiziellen, vom Vatikan veröffentlichten Abschrift enthalten, wurden jedoch von der Diözese Moskau und später in dem Video erwähnt, das vom katholischen Kanal des sibirischen Fernsehens veröffentlicht wurde. Jedenfalls Grund genug, um Osteuropa in Aufruhr zu versetzen. 

An sich sagte der Papst nichts Dramatisches, es ist nur die kriegerische Situation zu bedenken, in der sich Europa derzeit befindet. Zar Peter der Große war dafür bekannt, dass er während seiner Herrschaft das russische Territorium auf Kosten seiner unmittelbaren Nachbarn ausdehnte. Was Katharina die Große betrifft, so werden in den Geschichtsbüchern meist ihre „imperialistischen Bestrebungen“ hervorgehoben, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass der Begriff „Mütterchen Russland“ häufig vom derzeitigen Kremlherrn verwendet wird.  

Der Schaden war jedenfalls durch Unbedacht angerichtet. Zunächst in den sozialen Netzwerken, dann durch die Publikationsorgane der ukrainischen Behörden, die das „Vergehen“ des Papstes als „imperialistische Propaganda“ betrachteten. 

Selbst das Oberhaupt der mit Rom unierten griechisch-katholischen Kirche, Erzbischof Swjatoslaw Schewtschuk, sah sich zu einer Reaktion veranlasst: „Die von Seiner Heiligkeit verwendeten Beispiele entsprechen in Wirklichkeit nicht seinem Lehramt über den Frieden. (...) Wir erwarten vom Heiligen Stuhl eine Erklärung der Situation“, sagte der hohe Prälat. 

Dies führte dazu, dass der Vatikan einmal mehr versuchen musste, die Situation wieder zu regeln. Zunächst über die Nuntiatur in Kiew, die die „erhobenen Anschuldigungen“ gegen Papst Franziskus „zurückwies“, da dieser „niemals Imperialismus oder Kolonialismus“ das Wort geredet habe. 

Eine Position übrigens, die vom Leiter des Pressesaals des Heiligen Stuhls, Matteo Bruni, bekräftigt wurde: „In den Grußworten an junge russische Katholiken, wie aus dem Kontext, in dem sie ausgesprochen wurden, klar hervorgeht, hatte der Papst die Absicht, junge Menschen zu ermutigen, das Positive im großen kulturellen und spirituellen Erbe Russlands zu bewahren und zu fördern, und sicherlich nicht, imperialistische Logiken zu verherrlichen oder die zitierten Persönlichkeiten, um bestimmte historische Referenzperioden anzuzeigen.“ 

Insgesamt gesehen sicher ein diplomatischer Fehltritt, der zu einem Zeitpunkt stattfand, an dem die weitgehend von der NATO unterstützte ukrainische Armee große Mühe hatte, auf dem Schlachtfeld wieder die Oberhand zu gewinnen. Doch die Offenheit des Pontifex sollte anerkannt werden. Er will und wollte einen Krieg beenden, der schon viel zu lange andauert. Aber es gilt leider auch, dass der Vorhof zur Hölle oft mit guten Vorsätzen gepflastert ist.