Interview des Generaloberen mit Angelus Press, USA, im Februar 2019

Quelle: FSSPX Aktuell

Dieses video ist auf Englisch

Pater Davide Pagliarani hat zum ersten Mal seit seiner Wahl zum Generaloberen der Priesterbruderschaft St. Pius X. die Vereinigten Staaten von Amerika besucht. Obwohl sich sein Besuch während des Priorentreffens in Winona und auf ein weiteres Treffen im Seminar St. Thomas von Aquin beschränkte, war es Angelus Press doch möglich, ihm im Rahmen seines allerersten englischsprachigen Interviews ein paar Fragen zu stellen.

Es gibt keinen besseren Weg, um der Kirche zu dienen, als heilige Priester auszubilden.
 

Angelus Press: Sie waren vor ihrer Wahl zum Generaloberen in der englischsprachigen Welt relativ unbekannt. Können Sie sich selbst kurz vorstellen?

Pater Davide Pagliarani: Ich glaube, das ist nicht nur ein Problem der englischsprachigen Welt. Vor ein paar Wochen hat mich beispielsweise ein Priester in Paris nach meinem Namen gefragt. Es war mir ein wenig unangenehm, ihm zu sagen, dass ich der neue Generalobere bin – aber auch ihm war die Situation peinlich. Nun, ich habe die meiste Zeit als Priester in Italien und drei Jahre im Fernen Osten, in Singapur, verbracht; zuletzt war ich fast sieben Jahre im weit entfernten Süden, in Argentinien – bis zum letzten Juli.

AP: Sie sind der vierte Generalobere der Priesterbruderschaft St. Pius X. Worin sehen Sie die Herausforderungen und Möglichkeiten für die Tradition im Jahr 2019?

DP: Ich denke, es ist sowohl unsere Chance als auch unsere Aufgabe bzw. Verpflichtung, den Schatz, den wir besitzen, so hoch zu schätzen, wie er es verdient: unseren Glauben, die heilige Messe. Es ist wichtig, dass dieser Schatz für uns zu einem lebendigen Schatz wird, so wie das lebendige Wasser der Samariterin. Das ist sogar höchst wichtig! Wir müssen – so bin ich überzeugt – diesem Schatz mehr und mehr durch ein Gebetsleben und ein Leben voll Eifer – voll geistlichem Eifer – zum Strahlen verhelfen. Ja. Vielleicht müssen wir in unserem geistlichen Leben von Zeit zu Zeit die Anhänglichkeit wiederaufleben lassen – dazu bietet uns dieses Jahr, in dem wir das Jubiläum der Priesterbruderschaft vorbereiten, die geeignete Gelegenheit – unsere tiefe Anhänglichkeit an diesen Schatz neu entfachen.

AP: Es ist kaum sechs Monate her seit Ihrer Wahl. Sind Sie seitdem schon viel gereist?

DP: Im Augenblick reise ich nicht sehr oft, denn es war der Wunsch der Generalkapitels und aller höheren Oberen, dass sich der Generalobere so viel als möglich im Generalhaus aufhält, um immer für die verschiedenen Bedürfnisse der Bruderschaft zur Verfügung zu stehen und für die verschiedenen Priester oder die Oberen, die mit ihm sprechen möchten, leicht erreichbar zu sein. Meine Aufgabe ist die Treuepflicht zum Geist des Gründers, Erzbischof Lefebvre. Meine erste Aufgabe ist es, alles daran zu setzen, den Geist und die Lehre, welche der Gründer der Bruderschaft anvertraut hat, zu bewahrt – auch wenn die Situation sehr unterschiedlich ist.

AP: Können Sie Anzeichen des Wachstums feststellen? Z.B. neue Priorate oder Missionsstationen der Bruderschaft?

DP: Gerade zurzeit finden sich überall Zeichen des Wachstums, nicht nur in den Staaten, sondern wirklich an allen Orten. Das ist einerseits ein Zeichen des Segens – wir sind darin gesegnet. Im Lauf der letzten paar Jahre gibt es zunehmend mehr Katholiken, die sich der Kirchenkrise bewusst werden, und Schritt für Schritt erkennen sie auch die Ursachen hierfür. Das ist für uns ein sehr interessanter Aspekt, und wir müssen ihn im Auge behalten. Wir müssen ihnen helfen. Aber wir können andererseits nicht überall hingehen, wir können nicht jedem Ruf folgen. Wir müssen uns um unsere Priester kümmern. Wir haben immer noch Berufungen, aber unsere Priester brauchen Zeit, um Fuß zu fassen; sie brauchen Zeit, um das Gemeinschaftsleben zu pflegen, was ein sehr wichtiger Teil unserer Statuten und unserer Pflichten ist. Wir werden unser Bestes tun, um dorthin zu gehen, wohin die Vorsehung uns ruft, aber zugleich dürfen wir die vorrangige Sorge um unsere Priester nicht vergessen.

AP: Können Sie als ehemaliger Seminarregens etwas zur Wichtigkeit der Seminare und Berufungen sagen, insbesondere in der modernen Welt?

DP: Unsere Seminare sind das Herz der Bruderschaft. Die Bruderschaft fußt auf den Seminaren, und sie existiert wegen der Seminare. Auch die Kirche selbst braucht nichts anderes als heilige Priester. Es ist also unmöglich, einen besseren Weg zu finden, um der Kirche zu dienen. Durch unsere Seminare arbeiten wir mit am Ziel der universalen Kirche. Das war die große Eingebung des Trienter Konzils und auch von Erzbischof Lefebvre. Und je mehr das große Ideal des Priestertums schwindet und verloren geht, umso wichtiger ist unsere Treue dieser Aufgabe gegenüber. Sie ist zugleich unsere Sendung.

AP: Was sind in Ihren Augen die hauptsächlichen Anliegen der traditionell-katholischen Familien heutzutage?

DP: Das Hauptanliegen der katholischen Familie von heute ist dasselbe, was wir auch als Priester haben – die Seelen ihrer Kinder. Die Welt setzt alles daran, sie zu verführen. Alle Eltern sind davon betroffen, und wir ebenfalls. Ich glaube, wir müssen die Kinder zusammen mit ihren Eltern unterweisen. Und die Eltern müssen ihre Kinder zusammen mit den Priestern lehren. Sie müssen den Kindern all die Tugenden beibringen, die sie nirgendwo anders lernen können: Selbstverleugnung, Reinheit, Keuschheit, Nächstenliebe. Aber das setzt voraus, dass sie in den Familien, zu Hause, in der Pfarrei nicht nur die Belehrung erhalten, sondern zugleich sehen, dass ihre Eltern und die Priester das, was sie predigen, auch leben. Es wirkt wie Osmose – wenn die Eltern wirklich dieses große Ideal vor Augen haben, Heilige zu formen und zu bereiten, so wird es mit der Gnade Gottes auch gelingen. Dazu müssen die Kinder zu Hause bei ihren Eltern den Opfergeist erkennen, der der Wohlgeruch, der Duft des Kreuzes ist.

AP: Können Sie überhaupt etwas zu den Nachrichten über die päpstliche Kommission Ecclesia Dei sagen?

DP: Im Augenblick wäre es unklug, einen ausführlichen Kommentar abzugeben. Ich denke, was im jüngsten Motu Proprio bezüglich Ecclesia Dei interessant ist… Es betont, dass die hauptsächliche Frage, die immer noch offen ist – also eine unerledigte Frage –, eine lehrmäßige ist. Und das ist wahr. Denn es ist eben diese doktrinelle Angelegenheit, die die Priesterbruderschaft St. Pius X. betrifft. In diesem Licht werden die Dinge klarer, klarer für uns – und auch für sie und alle Betroffenen. Hingegen kann es nicht unsere Aufgabe sein, uns zunächst die Frage nach der Zukunft der verschiedenen Ecclesia-Dei-Gemeinschaften zu stellen. Wir beten für sie. Wenn wir ihnen helfen können, sind wir da. Ich erachte es aber als klüger, nichts weiter über die Zukunft zu sagen. Wir werden sehen. Wir werden beobachten. Und wie immer werden wir das letzte Wort der göttlichen Vorsehung überlassen.

AP: Manchmal scheinen sowohl die Welt als auch die Kirche verrückt zu spielen. Können Sie den traditionstreuen Katholiken von heute ein paar Worte der Hoffnung und der Ermutigung mitgeben?

DP: Die größte Gefahr für unsere Gläubigen und sogar für die Priester von heute ist es, in die Entmutigung zu fallen. Ich denke es ist Zeit, dass wir uns und sie daran erinnern: Je mehr sich der Eindruck verstärkt, die Situation sei hoffnungslos, umso näher rückt der Augenblick des Sieges. Der hl. Pius X. pflegte das zu sagen, um die Menschen zu ermutigen. Die gegenwärtige Dichte der Finsternis ist proportional zum Aufstrahlen der Wahrheit, wenn der Augenblick des Triumphes der Wahrheit kommen wird. Es ist für uns sehr wichtig, diese übernatürliche Sicht zu bewahren. Was immer heutzutage geschieht, wird Gott dazu verwenden, den Triumph seiner Kirche und der Wahrheit in einem noch erhabeneren, größeren und übernatürlicheren Licht aufstrahlen zu lassen.

AP: Worin sehen Sie – nebst Gebet und Spenden – die beste Weise für die Gläubigen, die Priester in ihrer Arbeit zu unterstützen?

DP: Die Kirche ist eine Familie, eine große Familie, und die Bruderschaft ist als Werk der Kirche ebenfalls eine Familie, eine große Familie. In einer Familie teilt man alles. Die beste Weise für die Gläubigen, alles mit den Priestern zu teilen, besteht darin, ihnen moralische Unterstützung zu gewähren – an ihren Freuden und Sorgen Anteil zu nehmen, denn die Freuden und Sorgen der Priester sind die Freuden und Sorgen Unseres Herrn. Diese Art von Nähe ist die beste Weise, das große Ideal der Einheit zwischen Gläubigen und Priestern zu verwirklichen.

AP: Welchen Eindruck haben Sie vom Distrikt der USA bisher gewonnen?

DP: Die Staaten sind eines jener Länder, in denen man sich vom ersten Augenblick an zu Hause fühlt. Was mich am meisten beeindruckt, ist die Anzahl der Gläubigen, und noch mehr ihre Einfachheit und ihre Großherzigkeit. Die gleiche Einfachheit und Großherzigkeit stelle ich auch bei den Priestern hier in den USA fest. Ich glaube, die Gläubigen sind ein Spiegel, ein Widerschein dessen, was die Priester ihnen mitgeben.

AP: Sie haben viele Jahre in verschiedenen Ländern und Missionen verbracht. Haben Sie eine oder zwei Lieblingsgeschichten aus ihrem Apostolat?

DP: Ja. Was mich im Allgemeinen während all den Jahren meines Priesterlebens am meisten beeindruckt hat, ist dies: Ob in Asien, Südamerika, Italien, in den Missionen oder als Distriktoberer, als Seminarregens, in all diesen unterschiedlichen Situationen und verschiedenen Ländern… die Gnade Gottes wirkt immer und überall nach den gleichen universellen Regeln. Natürlich wissen wir das, ich erzähle Ihnen nichts Neues. Aber wenn man diese Erfahrung selbst machen kann, ist man doch beeindruckt. Das ist der Beweis, dass das Evangelium, das Gesetz des Evangeliums, die Sakramente, die Kirche für alle Menschen gleich sind, und dass es nichts anderes gibt, was die Einheit zwischen so unterschiedlichen Menschen zu begründen vermag. Das ist wirklich erstaunlich. Man kann es nicht natürlicherweise erklären. Es beruht auf dem Wirken Gottes, auf der Gnade Gottes.

Ja, ich habe das öfters ganz persönlich erfahren… Wenn ich versuchte, in einer schwierigen Situation eine Lösung zu finden, und um eine Lösung kämpfte, sie sich aber nicht finden ließ – so stellte sie sich ein, sobald ich aufgehört hatte, mir Sorgen zu machen, und alles dem Willen Gottes anheimstellte. Das zu tun ist nicht immer einfach, aber ich habe es mehrere Male erfahren. Es ist das Gesetz des Kreuzes, und ich würde sagen, das Gesetz des vollkommenen Gottvertrauens.