Was Papst Franziskus von seinem Vorgänger hätte aufgreifen können!
Einige Zitate von Papst Benedikt XVI. / Josef Ratzinger
Ein von Pius V. geschaffenes Missale gibt es nicht
„Immer klarer wurde mir, dass ich da einer Wirklichkeit begegnete, die nicht irgendjemand erdacht hatte, die weder eine Behörde noch ein großer einzelner geschaffen hatte. Dieses geheimnisvolle Gewebe von Text und Handlungen war in Jahrhunderten aus dem Glauben der Kirche gewachsen. Es trug die Fracht der ganzen Geschichte in sich und war doch zugleich viel mehr als Produkt menschlicher Geschichte. Jedes Jahrhundert hatte seine Spuren eingetragen: Die Einführungen ließen uns erkennen, was aus der frühen Kirche, was aus dem Mittelalter, was aus der Neuzeit stammte.“ … „Ein Missale Pius V., das von ihm geschaffen worden wäre, gibt es nicht. Es gibt nur die Überarbeitung durch Pius V. als Phase in einer langen Wachstumsgeschichte.“
Joseph Kardinal Ratzinger, Aus meinem Leben, 1997, Seite 172 über das „Schott-Messbuch“, das der junge Messdiener als Weihnachtsgeschenk erhalten hatte.
Gemachte Liturgie
„An die Stelle der gewordenen Liturgie hat man die gemachte Liturgie gesetzt. Man wollte nicht mehr das organische Werden und Reifen des durch die Jahrhunderte hin Lebendigen fortführen, sondern setzte an dessen Stelle – nach dem Muster technischer Produktion – das Machen, das platte Produkt des Augenblicks.“
Joseph Kardinal Ratzinger in: Simandron – der Wachklopfer. Gedenkschrift für den verstorbenen Liturgiewissenschaftler Msgr. Dr. Dr. Klaus Gamber (Hrsg. Prälat Wilhelm Nyssen, Köln 1989), Seite 14f.
Bestürzt über das Verbot des alten Missale
„Ich war bestürzt über das Verbot des alten Missale, denn etwas Derartiges hat es in der ganzen Liturgiegeschichte nie gegeben… Das nunmehr erlassene Verbot des Missale, das alle Jahrhunderte hindurch seit den Sakramentaren der alten Kirche kontinuierlich gewachsen war, hat einen Bruch in die Liturgiegeschichte getragen, dessen Folgen nur tragisch sein konnten… Man brach das alte Gebäude ab und baute ein anderes …“
Joseph Kardinal Ratzinger, Aus meinem Leben, 1997, Seite 173.
Kein Bruch mit dem überlieferten Ritus beabsichtigt
„Mit dem vom Konzil verabschiedeten Schema wurde jedoch in keiner Weise ein Bruch mit dem überlieferten Römischen Ritus beabsichtigt … Man sah dies als eine Fortführung der von Pius X. eingeleiteten und Pius XII. behutsam, aber zielstrebig vorangetriebenen Reformen an. Die Generalklauseln wie ‚die liturgischen Bücher sollen baldigst revidiert werden‘ (Nr. 25) wurden in diesem Sinn verstanden: als kontinuierliche Fortführung jener Entwicklungen, die es immer gegeben hatte und die seit den Päpsten Pius X. und Pius XII. ein von der Wiederentdeckung der klassischen römischen Traditionen bestimmtes Profil erhalten hatten. … Es ist in diesem Zusammenhang nicht überraschend, dass die neugestaltete ‚Mustermesse‘, die an die Stelle des bisherigen Ordo Missae treten sollte und trat, von der Mehrheit, der dafür zu einer Sondersynode zusammengerufenen Väter 1967 abgelehnt worden ist.“
Joseph Kardinal Ratzinger, Aus meinem Leben, 1997, S. 103 f.
Kirche ausgetauscht?
„Das Zweite Vatikanische Konzil behandelt man nicht als Teil der lebendigen Tradition der Kirche, sondern direkt als Ende der Tradition und so, als fange man ganz bei Null an. Die Wahrheit ist, dass das Konzil selbst kein Dogma definiert hat und sich bewusst in einem niedrigeren Rang als reines Pastoralkonzil ausdrücken wollte; trotzdem interpretieren es viele, als wäre es fast das Superdogma, das allen anderen die Bedeutung nimmt. Dieser Eindruck wird besonders durch Ereignisse des täglichen Lebens verstärkt. Was früher als das Heiligste galt – die überlieferte Form der Liturgie – scheint plötzlich als das Verbotenste und das Einzige, was man mit Sicherheit ablehnen muss … Das führt bei vielen Menschen dazu, dass sie sich fragen, ob die Kirche von heute wirklich noch die gleiche ist wie gestern, oder ob man sie nicht ohne Warnung gegen eine andere ausgetauscht hat.“
Joseph Kardinal Ratzinger, Rede vor den Bischöfen von Chile vom 13. Juli 1988.
Man ächtet die ganze Vergangenheit
„Die Ächtung der bis 1970 gültigen Form von Liturgie muss aufhören. Wer sich heute für den Fortbestand dieser Liturgie einsetzt oder an ihr teilnimmt, wird wie ein Aussätziger behandelt; hier endet jede Toleranz … Derlei hat es in der ganzen Geschichte nicht gegeben, man ächtet damit ja auch die ganze Vergangenheit der Kirche. Wie sollte man ihrer Gegenwart trauen, wenn es so ist? Ich verstehe, offen gestanden, auch nicht, warum so viele meiner bischöflichen Mitbrüder sich weitgehend diesem Intoleranz-gebot unterwerfen, das den nötigen inneren Versöhnungen in der Kirche ohne einsichtigen Grund entgegensteht.“
Joseph Kardinal Ratzinger, Gott und die Welt – Glauben und Leben in unserer Zeit, Ein Gespräch mit Peter Seewald, München 2000, Seite 357.
Papst ist kein absoluter Monarch
„Nach dem II. Vatikanum entstand der Eindruck, der Papst könne eigentlich alles in Sachen Liturgie, vor allem, wenn er im Auftrag eines ökumenischen Konzils handle … Tatsächlich aber hat das I. Vatikanum den Papst keineswegs als absoluten Monarchen definiert, sondern ganz im Gegenteil als Garanten des Gehorsams gegenüber dem ergangenen Wort: Seine Vollmacht ist an die Überlieferung des Glaubens gebunden – das gilt gerade auch im Bereich der Liturgie. Sie wird nicht von ‚Behörden gemacht‘. Auch der Papst kann nur demütiger Diener ihrer rechten Entwicklung und ihrer bleibenden Integrität und Identität sein.“
Der Geist der Liturgie, Freiburg i. Breisgau 2000, Seite 142f.
Wird sie nicht morgen wieder verbieten, was sie heute vorschreibt?
„Es ist überhaupt nicht einzusehen, was (am alten Ritus) gefährlich oder unannehmbar sein sollte. Eine Gemeinschaft, die das, was ihr bisher das Heiligste und Höchste war, plötzlich als strikt verboten erklärt und das Verlangen danach geradezu als unanständig erscheinen lässt, stellt sich selbst in Frage. Denn was soll man ihr eigentlich noch glauben? Wird sie nicht morgen wieder verbieten, was sie heute vorschreibt?“
Joseph Kardinal Ratzinger, Salz der Erde – Christentum und katholische Kirche im neuen Jahrtausend. Ein Gespräch mit Peter Seewald, 2001, Seite 188.