Wer ist der Wegbereiter des Deutschen Synodalen Weges?

Quelle: FSSPX Aktuell

Der Kardinal Walter Kasper

Kardinal Walter Kasper hat sich unzählige Male zum deutschen Synodalen Weges geäußert. Besonders auf dem Internet-Portal Neuer Anfang, wo man sich kritisch mit diesem Prozess auseinandersetzt. Von besonderem Interesse sind einige spannende Punkte im Beitrag des bald 90jährigen Kirchenfürsten.

In einem in fünf Punkte gegliederten Manuskript zum  4. Online-Studientag der Initiative Neuer Anfang über das Thema „Wahre und falsche Reform“ erinnert der ehemalige Bischof von Rottenburg-Stuttgart zunächst an das bekannte Sprichwort Ecclesia semper reformanda, „die Kirche ist immer reform- und erneuerungsbedürftig“. Dabei stellt sich sofort die Frage, auf welche und in welcher Weise ist sie reformbedürftig? 

Es muss also zwischen echter und falscher Reform unterschieden werden - ein implizites Zitat aus dem Buch „Wahre und Falsche Reform in der Kirche“ (frz: „Vraie et fausse réforme dans l’Eglise“) von Kardinal  Yves Marie‐Joseph  Congar:

Es ist wichtig, gleich von Anfang an zu sagen: Erneuerung ist nicht Neuerung. Erneuerung meint nicht eben einmal etwas Neues ausprobieren und eine neue Kirche zu erfinden. 

Diese Klarstellung ist wichtig, steht aber im Widerspruch zu einer früheren Passage, in der es hieß: „Das II. Vatikanische Konzil (1962-65) war ein Aufbruch. Mit Liturgiereform, der Neuentdeckung der Bedeutung des Wortes Gottes, einer erneuerten Sicht der Kirche und ihres Verhältnisses zur modernen Welt. Mit dem Ja zur Religionsfreiheit, zum ökumenischen Aufbruch, zur Versöhnung mit dem jüdischen Volk. “ All diese Punkte sind jedoch echte Neuerungen in der Kirche! 

Der emeritierte Dogmatik-Professor und Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen meint außerdem:

Synoden lassen sich nicht institutionell auf Dauer stellen. Die Tradition der Kirche kennt keine synodale Kirchenregierung. Ein synodaler, oberster Rat, wie er jetzt in Aussicht genommen wird, hat in der gesamten Verfassungsgeschichte keinerlei Anhalt. Er wäre keine Erneuerung, sondern eine unerhörte Neuerung.

Es ist zu bemerken, dass diese Aussage nicht nur mit den jüngsten Entwicklungen des Synodenweges kollidiert, in dem der Vorschlag einer ständigen Synode gemacht wurde, sondern mit dem Gedanken des regierenden Pontifex selbst, der die Kirche in den Zustand der Synode versetzen und ihr einen synodalen Stil verleihen will. 

Der Kardinal fügte hinzu: „Nicht ein Theologe, sondern ein Politologe hat das kürzlich etwas boshaft ausgedrückt, indem er einen solchen Synodalen Rat, als einen Obersten Sowjet bezeichnet hat. Sowjet ist ein altrussisches Wort, das genau das meint, was wir in deutscher Sprache als Rat bezeichnen. Ein solcher Oberster Sowjet in der Kirche wäre offensichtlich keine gute Idee. Ein solches Rätesystem ist keine christliche, sondern eine aus ganz anderem Geist oder Ungeist kommende Idee.“  Das Bonmot trifft den Nagel auf den Kopf. 

Mit dem Punkt „Evangelische Kriterien der Erneuerung und Reform“ zielt Kardinal Kasper auf den Kern des Synodalen Weges ab. Er erinnert daran, dass die Theologie von Quellen inspiriert wird - von „Orten“ (loci theologici), wie die gängige Terminologie lautet. Der Dominikaner Melchior Cano (1509-1560) hat das Nachdenken über diesen Punkt systematisch geordnet und beschreibt zehn Orte. Sieben davon sind der göttlichen Offenbarung „eigen“, also die eigentlichen: die Heilige Schrift, die Tradition, die Autorität der Kirche, die ökumenischen Konzilien, die Autorität des Hohenpriesters, die Lehre der Kirchenväter et cetera. Dazu kommen drei der Offenbarung fremde „Orte“ (loci alieni) nämlich die menschliche Vernunft, Philosophie und Geschichte. 

Walter Kasper stellt dann sehr treffend fest, dass der Synodenweg erstere und letztere gleichgesetzt hat, und er fügt hinzu: Es sei „schon vom Wortgebrauch her abwegig und völlig verkehrt, wenn menschliche Gesichtspunkte dem Evangelium gleichgestellt werden.“ Und er stellt fest, dass sich die jüngste Kritik genau auf diesen Punkt bezieht. Der Kardinal erklärt dann, dass eine Synode einen Kopf – den Diözesanbischof – und einen Körper – de Diözese – hat. Daher müsse der Bischof seine Autorität ausüben und könne sie nicht abgeben. Er greift dann die ‚freiwillige Selbstverpflichtung‘ der deutschen Bischöfe an, diese sei Bestandteil der Statuten des Synodenweges und der Vereinbarung zwischen den Bischöfen und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). 

Er besteht darin, dass es eine kollektive moralische Verpflichtung gibt – diese liegt in der individuellen Verpflichtung jeden Bischofs selbst – , die Beschlüsse der deutschen Synode umzusetzen. Ursprünglich war das Zdk bei dem Punkt nur dann zur Zustimmung bereit, wenn die Abstimmungen „verbindlich“ waren, aber nach den römischen Beobachtungen konnte der Einwand nicht aufrechterhalten werden. Sie wird durch die genannte Verpflichtung der Bischöfe aufgefangen. 

Der Kardinal bezeichnet die „Idee der Selbstverpflichtung“ als einen Trick, ja sogar als einen „faulen“ Trick. Zunächst einmal, weil ein Bischof sich nur für sich selbst und nicht für seine Nachfolger verpflichten kann. Und vor allem: „Letztlich käme eine solche Selbstverpflichtung einem kollektiven Rücktritt der Bischöfe gleich. Verfassungsrechtlich könnte man das Ganze nur als einen Coup, d.h. als einen versuchten Staatsstreich bezeichnen.“ 

Im letzten Punkt erinnert Kasper zu Recht daran, dass „in schwierigen Situationen der Kirchengeschichte die Synoden zwar zur Erneuerung beigetragen haben; doch sie waren nie die eigentliche Quelle der Erneuerung.“ Diese ging meist von einzelnen, vom Hl. Geist erweckten Christen, Männer und Frauen aus.  

In seiner Analyse begeht der hohe Prälat jedoch einen entscheidenden Fehler. Er stellt fest:

Es ist die Ursünde des Synodalen Wegs, dass er gleich am Anfang den Brief des Papstes und sein Vorschlag vom Evangelium und vom Grundauftrag der Evangelisierung auszugehen, mehr oder weniger zur Seite gelegt hat, und einen eigenen Weg mit teilweise anderen Kriterien eingeschlagen hat.

Dieser Brief des Papstes kritisiert zwar einige Aspekte des Prozesses, der damals noch in den Kinderschuhen steckte, aber seine Kritik wandelt sich in anderen Punkten in Ermutigung, was die deutschen Bischöfe nicht übersehen haben. Und vor allem verschleiert diese Kritik die primäre und vollständige Verantwortung des Papstes für die gegenwärtige Situation. Während ganze Episkopate, Kardinäle, Dutzende von Bischöfen, Priester und Laien immer eindringlicher die Alarmglocke läuten, veröffentlicht Franziskus stattdessen Traditionis custodes

Was tut er noch angesichts der Tatsache, dass sich offensichtlich ein großer Teil der Kirche in Deutschland im Schisma befindet und dass die Ernüchterung über die Arbeit der Synodenversammlung unglaublich groß sein wird? Er trifft die traditionellsten oder konservativsten Gemeinden, wie die Diözese Fréjus-Toulon. 

Was macht Franziskus, nachdem Dutzende von Priestern und sogar ein Bischof mit der Ermutigung eines Großteils des deutschen Episkopats bereits zweimal homosexuelle Paare entgegen der ausdrücklichen Empfehlung der Glaubenskongregation „gesegnet“ haben? Er beglückwünscht P. James Martin und all jene, die dafür plädieren, diese „Verbindungen“ einer - zivilen – Ehe gleichzustellen. 

Und was tut Franziskus, während dieser synodale Weg Gefahr läuft, Deutschland in eine schlimmere Situation zu versetzen als es die Predigten Martin Luthers je konnten? Er initiiert eine Weltsynode über Synodalität, deren erste Ergebnisse in den Diözesen den starken Einfluss der bereits weit fortgeschrittenen Avantgarde auf der anderen Seite des Rheins zeigen. 

Wegbereiter dieses synodalen Weges ist Franziskus, er selbst. Er wird die Verantwortung dafür vor Gott und der Kirche tragen müssen.