Eine Mahnung des Generaloberen

Quelle: Distrikt Österreich

Am 11. Dezember 2021 sprach Pater Davide Pagliarani, der General­obere der Priesterbruderschaft St. Pius X., in Kansas City (USA) auf der „Angelus-Press-Konferenz für katholische Tradition“. Er behandelte das Thema „Die Mission der Bruderschaft“. Auf Nachfrage von Teilnehmern äußerte er sich in einem spontanen Statement auch zum Thema Covid-19 und Impfung. Seine frei gehaltenen Ausführungen werden hier in deutscher Übersetzung wiedergegeben.

Es ist ein kompliziertes Thema. Das Thema meines [vorigen] Vortrags war „Die Mission der Priesterbruderschaft St. Pius X.“. Wir werden sehen, worin diese Beziehung – wenn es denn eine gibt – zwischen der Mission der Bruderschaft und den Impfungen besteht. Die Priesterbruderschaft scheint manchen zu vorsichtig mit dieser Frage umzugehen. Warum, so deren Meinung, spricht die Bruderschaft nicht deutlicher?

Die ganze Menschheit liege doch geradezu am Boden und sei durch die Maßnahmen ausgelaugt. Warum spricht die Priesterbruderschaft nicht vernehmlicher?

Das ist eine legitime Frage, und ich versuche sie zu beantworten. Ich kann aber hier nur den allgemeinen Rahmen angeben, ich kann nicht die tausend und abertausend Fragen und Einwände beantworten, die ihnen z. B. im Internet entgegentreten. Man könnte sein ganzes Leben damit verbringen, im Internet herauszufinden, was aktuell geschieht, und müsste sich jeden Tag auf den neuesten Stand bringen.

Man kann nicht verneinen, dass diese ganze Frage von großer Komplexität ist. Ich möchte Ihnen an diese Stelle verdeutlichen, warum die Bruderschaft so vorsichtig ist. Ich möchte dem Thema mit nur wenigen Worten den Platz einräumen, der ihm gebührt.

Lagerbildung

Bis vor einem Jahr war die Menschheit nur von dem Thema Covid-19 eingenommen. Wurde das Virus in China freigesetzt? Wurde es in Taiwan hergestellt? Ist es tödlich? Gibt es das Virus überhaupt? Hat es nur die Wirkung einer einfachen Erkältung? Sterben Menschen an oder nur mit Covid? Das waren Fragen, die die Gemüter mancher bis vor einem Jahr ganz gefangen nahmen. Mittlerweile liegt die Aufmerksamkeit – nicht nur, aber fast nur – auf dem Thema Impfung. Die verschiedenen Regierungen versuchen, die Impfungen verpflichtend zu machen. Das provoziert nicht nur ein generelles Unbehagen, sondern es führt regelrecht zur Lagerbildung. Es gibt diejenigen, die für die Impfung sind, und diejenigen, die dagegen sind. Es gibt kaum Menschen, die hier neutral sein können. Das Internet bietet beiden Lagern die notwendigen Argumente und „Werkzeuge“ für ihre Meinungsbildung. Es gibt eine gewisse „Panik“ bezüglich der Nebenwirkungen der Impfung, aber es gibt auch eine gewisse „Panik“ bei Impfbefürwortern, weil die Menschheit ohne verpflichtende „Impfung für alle“ nicht zur gewohnten Lebensweise zurückkehren könne. Sie sehen, dieser Dualismus zwischen zwei Lagern ist sehr stark. Wer an Covid erkrankt, dessen Atmung verschlechtert sich. Diejenigen, die kein Covid haben, tun diese Angst beiseite und sind eher wegen der Impffolgen beunruhigt.

Medizin, Ökonomie, Politik

Versuchen wir für einige Minuten, die Auffassungen dieser beiden Lager so stehen zu lassen, und versuchen wir zu analysieren, was „tiefer“ liegt. Es stehen also mehr die Impffolgen im Mittelpunkt, da die Impfung sehr schnell, zugegebenermaßen zu schnell, entwickelt wurde. Neben dieser medizinischen Seite gibt es eine politische. Wie können die Regierungen, die Autoritäten zu solchen Impfungen verpflichten, die nicht ausreichend getestet sind? Braucht ein Impfstoff nicht sonst sieben oder acht Jahre der Entwicklung und ausreichenden Austestung? Ich überlasse diese Frage in ihren Details den Medizinern. Alles wurde sehr schnell durchgeführt? Warum? Dahinter steht ein Geschäft. Es gab mehrere Länder, die einen eigenen Impfstoff entwickeln wollten, aber sie gaben vor einigen Monaten, als die Impfungen überall begannen, auf, weil sie realisierten, dass sie den Markt verlieren würden. Dahinter steckt ein großes Geschäft. Die Nebenwirkungen einer noch nicht genügend erforschten Impfung sind nicht ausreichend bekannt. Das ist ein Problem. Aber es gibt ein weiteres. Es scheint, dass die Impfung nicht lang genug wirkt, nicht ausreichend schützt. Wir haben also hier eine medizinische Seite des Problems und damit verbunden eine politische Seite.

Zwei Arten von Menschen

Die staatlichen Autoritäten machen die Impfung verpflichtend und müssen daher zwei Arten von Menschen überzeugen: Zuerst die Ungeimpften. Diesen müssen sie erklären, dass die Impfung wirkt. Ihr Empfang sei von großer Bedeutung und sie sei der einzige Weg heraus der Krise. Denjenigen, die geimpft – oder zumindest einmal geimpft – sind, muss erklärt werden, warum man eine zweite, dritte Injektion braucht, weil nur eine nicht ausreichend wirke. Die erste Gruppe muss man also überzeugen, dass die Impfung wirke, die andere, dass eine Impfung nicht genug wirke. Man spricht ja jetzt schon viel über die dritte Impfung und dann über eine jährliche Booster-Impfung. Wie lange wird das Problem dauern? Ist das alles kompliziert? Ja! Ist das alles etwas verrückt? Ja! Ist der Stress, der auf der ganzen Menschheit lastet, verständlich? Ja! Ist es erlaubt, über all diese Probleme Fragen zu stellen? Ja! Ist es legitim, gegen verpflichtende Impfungen zu sein? Ja! Aber …!

Aufgabe der Bruderschaft

Aber dieses große Problem ist mit einem medizinischen Thema verbunden. Das ist der Hauptgrund, warum die Bruderschaft sich nicht direkt zu diesem Thema äußert. Natürlich kann jeder Priester einen Rat geben. Aber die Priesterbruderschaft St. Pius X. als solche wird sich auf diese Debatte nicht einlassen. Die Mission der Bruderschaft liegt nicht in der Behandlung medizinischer Fragen, nicht darin, Antworten zu geben zu den möglichen gesundheitlichen Folgen der Impfung. Das gilt nicht nur für Covid, sondern für alle anderen Arten von Medikamenten. Wenn man einen neuen Impfstoff gegen Windpocken entwickeln würde und es bei diesem einige Nebeneffekte gäbe oder dieser Impfstoff nicht ausreichend getestet worden wäre, dann wäre das kein Problem der Priesterbruderschaft St. Pius X. Ich wiederhole es, ja ich betone es: Es ist ein medizinisches Problem. Hier geht es um eine medizinische Frage, die wir nicht in eine theologische Frage umformen können. Ich wiederhole auch dies: Ein Priester kann auf der persönlichen Ebene etwas raten oder etwas vorschlagen – selbstverständlich. Aber nicht die Bruderschaft. Auf der anderen Seite: Nehmen wir an, es wäre ein Medikament gegen Erkältung entwickelt worden, das anscheinend kein Problem darstellte. Stellen wir uns vor, die Bruderschaft würde dieses Medikament empfehlen und man würde anschließend feststellen, dass dieses Medikament allergische Reaktionen hervorriefe – in diesem Fall wäre die Bruderschaft verpflichtet, Antworten zu diesen Allergien zu geben. Was wäre der Fehler hier gewesen? Die Bruderschaft hätte sich selbst in eine drückende Situation gebracht und müsste auf eine Frage antworten, die nicht zu ihrer Mission gehört. Das ist der Hauptgrund, warum wir uns nicht direkt äußern.

One-World-Verschwörung?

Es gibt aber noch andere Gründe, warum die Bruderschaft sich zurückhält und nicht direkt an der Debatte teilnehmen will. Nehmen wir die Themen Globalismus und Verschwörung. Es scheint, dass für manche der Globalismus und das Thema Verschwörung erst vor einem Jahr mit der Impffrage begonnen haben. So z. B.: „Also, es ist jetzt klar! Es gibt eine weltweite, eine universale Autorität, die dieselben Medikamente für dieselbe Krankheit überall verpflichtend macht: Das ist Globalismus. Endlich zeigt das Monster des Globalismus sein Gesicht.“ Seien Sie vorsichtig! All unsere Aufmerksamkeit wird jetzt nur noch auf dieses Problem gelenkt. Ich wiederhole – ja, es gibt ein großes Problem. Es gibt aber auch ein anderes Risiko, nämlich zu vergessen, dass die Verschwörung gegen die Kirche schon vor dreihundert Jahren begann [im Namen der „Freiheit“, der „Menschenwürde“ und „Menschenrechte“, wie weiter unten noch hervorgehoben wird]. Was ist denn der Globalismus? Es ist die Idee, das Projekt, die Absicht, die katholische Kirche durch eine andere universale Autorität zu ersetzen. Sie wissen alle sehr gut, wovon ich spreche. Wir dürfen nicht vergessen, wo der Ursprung dieser Verschwörung gegen die Kirche liegt, die die ganze Menschheit betrifft. Wir müssen diese aktuellen Probleme in diesem größeren Rahmen sehen. Wir können das ganze Bild aber nicht sehen, wenn wir uns auf das aktuelle Problem fokussieren. Wir haben nicht das Recht, den Blick auf das Gesamtbild zu verstellen.

Unsere Sünden

Ein anderer Punkt, der sehr wichtig ist: Bewahren wir einen übernatürlichen Blick auf die Realität. Man wird einwenden: „Ja, ihr Priester sprecht ständig über die Übernatur, aber hier geht es um die Impfung. Hier geht es um eine Flüssigkeit, nicht um das Übernatürliche.“ Vorsicht, so antworte ich: Covid ist wie jede andere Krankheit in der Geschichte eine Strafe, die durch die göttliche Vorsehung erlaubt wird, um uns zu reinigen. Es gibt eine Gefahr, die ich in meinem Vortrag vorhin erwähnt habe. Wir haben zwar die Tradition bewahrt, wir sind aber deshalb noch keine besseren Menschen als die anderen. Wir sind nur arme Sünder. Wenn es eine universale Züchtigung gibt, dann auch für uns. Wenn Gott Covid erlaubt hat, dann nicht nur wegen der Sünden der anderen, sondern auch wegen unserer Sünden. Auch Traditionalisten und traditionstreue Katholiken sterben an Covid! Gehen wir zurück zum Problem des Globalismus: In diesem Jahr konnten – da die Aufmerksamkeit aus verschiedenen Gründen auf der ganzen Welt auf das Impfthema gerichtet war – in sehr, sehr vielen Ländern die schlimmsten Gesetze gegen die sittliche Ordnung erlassen werden. In Westeuropa ist jetzt fast überall die „Ehe“ unter Personen gleichen Geschlechts eingeführt. In einem Land wird darüber noch „debattiert.“ Aber unser Fokus liegt nicht darauf, sondern woanders. Daher ist es viel einfacher, solche staatlichen Gesetze einzuführen und voranzutreiben. Der Hauptausdruck des Globalismus, nämlich die Zerstörung des natürlichen Sittengesetzes und der Ordnung, die die Kirche bewahrt und geschützt hat, ist die Schaffung einer neuen „Welt“ mit neuen „Gesetzen“, mit einer neuen Autorität. Mit oder ohne Covid, mit oder ohne Impfung. Dieser Globalismus begann nicht erst vor einem Jahr. Er ist viel älter.

Falsche Prinzipien

Es gibt einen weiteren Grund, warum die Bruderschaft sich in dieser Frage zurückhält. Es ist die Allianz der Impfgegner. Diese ist sehr heterogen. Es sind Katholiken, es gibt Unterstützer ohne ein besonderes oder politisches „Credo“, aber es gibt auch – wenn wir hier die Sprache der Politik benutzen dürfen – Leute der „Rechten“ in dieser Allianz und der extremen „Linken“: Anarchisten und „Grüne“. Ich spreche hier von „Umweltschützern“, die sich um die Bewahrung der „Erde“ – ich sage nicht der „Schöpfung“ – sorgen; das sind Linke, ja Linksextreme. Ihre Ziele sind sehr, sehr klar. Und Parteien dieser Art sind sehr stark in Europa. (Pater Pagliarani spricht nicht nur über die Parteien in Deutschland.) Wenn solche gegen die Impfung sind, dann in welchem Namen? Im Namen von individueller Freiheit, von Menschenwürde und Menschenrechten. In einem Satz: „Mein Körper gehört mir!“ Mit meinem Leben mache ich, was ich will. Deshalb entscheide ich selbst, ob ich mich impfen lassen will oder nicht. Wir finden dieselben Slogans der 60er und 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts – „Mein Bauch gehört mir“ – bei einer gewissen „Frauenbewegung“. Die Prinzipien der „neuen Weltordnung“ finden wir aber schon 300 Jahre vorher im Namen der „Menschenrechte“ und „Menschenwürde“. Seien wir vorsichtig! Auf der anderen Seite des Spektrums, bei den Impfbefürwortern, finden wir sie aber auch. Ich glaube, es ist nicht schlecht, wenn wir auf diesen Punkt hinweisen. Es scheint paradox, aber sie kämpfen im Namen der gleichen Prinzipien, im Namen der „Menschenrechte“ und im Namen der „Freiheit“. Die Prinzipien sind die gleichen, aber nicht die Schlussfolgerungen. Sie wollen eine Impfflicht, um zur „Normalität“ zurückzukehren. Die Impfbefürworter fühlen sich durch die Impfgegner in ihrer Freiheit verletzt und eingeschränkt. Durch diese Leute werde man jetzt am Reisen und am Urlaub, am Geldverdienen und am Genuss des Lebens gehindert.  Wegen „der anderen“ müsse man noch Maske tragen oder vielerlei Einschränkungen auf sich nehmen. Deshalb fordert man im Namen der „Menschenrechte“ die Zwangsimpfung. Keine Einschränkung meiner Freiheit durch andere! Deshalb müssen wir alle geimpft werden. Es ist, wie gesagt, ein scheinbares Paradox: Im Namen der gleichen Prinzipien steht man auf der einen oder der anderen Seite. Soll die Bruderschaft sich an dieser Debatte beteiligen? Sollen wir uns einfach auf eine Seite schlagen? Nein! Ich habe Ihnen die Hauptgründe genannt, warum wir das nicht tun. Andere Gründe habe ich aus Zeitgründen nicht angeführt. Ja, es ist ein großes, wichtiges Thema, aber das Ganze ist nicht geklärt. Deshalb überlassen wir die Gegenwart und die Zukunft der göttlichen Vorsehung. Und wir dürfen sicher sein, dass die Vorsehung Gottes uns inmitten dieser neuen Krise und in unserem Kampf für die Tradition nicht verlässt. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.