Das zukünftige Konklave im Zeitalter der Geopolitik

Quelle: FSSPX Aktuell

Das nächste Konklave wird wahrscheinlich keinem anderen gleichen, abgesehen von den unveränderlichen Ritualen. Doch wie viel Einfluss hat die globale Geopolitik auf die Wahl des nächsten Papstes, abgesehen von den üblichen Papabili-Prognosen in der Presse?

Es ist durchaus interessant, das nächste Konklave unter dem Blickwinkel geopolitischer Erwägungen zu betrachten, die in einer wirtschaftlich globalisierten, aber kulturell und religiös zersplitterten Welt starken Ausschlag zu geben scheinen. 

Vatikanisten schlagen verschiedene Kardinäle vor, die Franziskus nachfolgen könnten. Die vorgebrachten Namen konzentrieren sich oft auf die Kurie und interne Probleme im Leben der Kirche. Es gibt jedoch auch andere Daten, die zur Gewichtung dieser Einschätzungen herangezogen werden können. So ist daran zu erinnern, dass das Kardinalskollegium Anfang Mai 2024 128 stimmberechtigte Mitglieder unter 80 Jahren zählt. 

„93 wurden von Franziskus ernannt, 27 von Benedikt XVI. und 8 von Johannes Paul II. 52 sind Europäer (darunter 14 Italiener), 21 kommen aus Asien, 17 aus Afrika, 16 aus Nordamerika, 15 aus Südamerika, vier aus Zentralamerika, drei aus Ozeanien. 25 sind oder waren in der Römischen Kurie tätig“, schreibt die französische römisch-katholische Tageszeitung La Croix

Einer dieser neuen Wähler erklärt: „Es wird sehr schwierig sein, wenn es darum geht, einen neuen Papst zu wählen. Wir sind überall auf der Welt. Wir kennen uns nicht“, berichtet La Croix. Diese Feststellungen lassen vermuten, dass die Geopolitik bei der Wahl des Nachfolgers Petri eine größere Rolle als üblich spielen könnte. 

Eine interessante geopolitische These 

Diese These stellt fest, dass sechs Staaten eine wachsende Rolle auf dem globalen Schachbrett spielen, wie der Politologe Cliff Kupchan in einem Artikel in Foreign Policy schreibt: die Türkei, Indonesien, Südafrika, Brasilien, Saudi-Arabien und Indien. Ein Artikel in Crux, dem von den Kolumbusrittern gesponserten Onlinemagazin, versucht einen Zusammenhang mit dem möglichen Einfluss dieser Länder auf ein zukünftiges Konklave herzustellen. 

Brasilien ist demografisch gesehen das größte katholische Land und hat einen großen Einfluss auf den weltweiten Katholizismus. „Die politische Polarisierung zwischen Pro-Lula- und Pro-Bolsonaro-Katholiken ist zwar tiefgreifend“, liest man bei Crux, aber der derzeitige Präsident unterhält eine besondere Beziehung zum Papst. 

Die muslimische Türkei wird im Vatikan genau beobachtet: „Der Heilige Stuhl teilt mit der Türkei die gleiche politische Sorge, nämlich Russland wegen des Krieges in der Ukraine nicht zu isolieren“, so Crux, und Franziskus hat mehrmals an die „Friedensbemühungen“ der Türkei erinnert. 

Was Saudi-Arabien betrifft, so hat der Vatikan „langsam aber sicher die Grundlage für immer engere Beziehungen“ zu diesem Land geschaffen, indem er Abkommen über diplomatische Beziehungen mit anderen Ländern der Region geschlossen hat, insbesondere mit dem Sultanat Oman im Jahr 2023, erklärt Crux

In Indien machen die Katholiken 1,5 Prozent der Bevölkerung aus (20 Millionen), aber „der Katholizismus genießt aufgrund seiner sozialen Werke ein sehr hohes soziales Kapital“, heißt es in der Zeitung. Trotz des nationalistischen Kurses von Narendra Modi „ist die Position Neu-Delhis in globalen Fragen oft näher an der des Vatikans als an der von Washington oder Brüssel“, schließt Crux

Ähnlich ist die Situation in Südafrika, wo die 3,8 Millionen Katholiken 6,3 Prozent der Bevölkerung ausmachen, aber die Stellung des Katholizismus ist „aufgrund des Netzwerks von Schulen, Krankenhäusern und anderen sozialen Einrichtungen weitaus wichtiger“, heißt es in der gleichen Publikation. 

In Indonesien, dem bevölkerungsreichsten muslimischen Land der Welt, machen die 8,3 Millionen Katholiken nur drei Prozent der Bevölkerung aus, aber der Katholizismus ist „eine der sechs offiziell anerkannten Religionen“, erklärt John L. Allen in Crux und genießt deshalb einen beachtlichen Einfluss in der Gesellschaft. 

Die Bedeutung dieser sechs Länder liegt zum einen in ihrer schnell wachsenden Wirtschaft und ihren Kapazitäten in den Bereichen Technologie und Wissenschaft, was ihnen laut der Analyse von Foreign Policy einen ernsthaften Vorteil in der Zukunft verschafft. 

Zum anderen auf ihr „Geschick, die Rivalitäten zwischen den USA, China und Russland auszunutzen, indem sie abwechselnd Zugeständnisse machen oder Forderungen stellen“, ohne „sich voll und ganz auf die eine oder andere Seite zu schlagen“, merkt der Crux-Redakteur in Anlehnung an Cliff Kupchan an. 

John L. Allen Jr. kommt zu dem Schluss, dass die derzeitigen und zukünftigen Prälaten, die die Ortskirchen in diesen Schlüsselstaaten leiten, bei der Wahl des nächsten Pontifex eine wichtige Stimme sein werden. Es ist jedoch zu beachten, dass keiner von ihnen derzeit Kardinal ist, was ihren Einfluss im Falle eines Konklaves ernsthaft schmälert. Darüber hinaus ist es wahrscheinlich, dass bei der Wahl des nächsten Nachfolgers Petri hoffentlich innerkirchliche Überlegungen vorherrschen werden.